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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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Der Prinz von Soubise machte den Truppen seine Aufwartung.
    Schon zwei Tage vorher glich die Stadt einem Bienenstock. Die Straßen wurden gekehrt, die Häuser herausgeputzt. Nur widerwillig folgten die Bürger den Anweisungen der Besatzer, doch sie wussten, sie hatten sich zu fügen.
    »Wird der Prinz länger in der Stadt weilen?«, fragte Anna ihren Mann und seinen Freund Engelbert vom Bruck, die sich am Abend auf eine Pfeife und ein Glas Wein getroffen hatten.
    Engelbert zuckte mit den Schultern. »Das wurde nicht bekannt gegeben. Vermutlich wissen das die Offiziere und auch die von der Leyen. Aber aus Sorge vor Feindseligkeiten wirdgeheim gehalten, wo und wie lange er sich irgendwo aufhält.«
    »Feindseligkeiten?« Anna schüttelte den Kopf.
    »Ja, Madame ter Meer. Erinnert ihr Euch an den Mörder, der vor zwei Wochen im Bruch hingerichtet worden ist? Auch hier gibt es gewalttätige Menschen. Und die Last der Besatzung wiegt schwer auf den Schultern der Bevölkerung.«
    »Da habt Ihr sicher Recht, Monsieur vom Bruck.«
    »Es ist ein Akt der Provokation, dass der Prinz an einem Sonntag kommt.« Abraham stopfte ärgerlich die Pfeife. »Die Gottesdienste sollen entweder ausfallen oder verkürzt abgehalten werden.«
    »Aber er wird das doch nicht absichtlich machen?«, fragte Anna überrascht.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, meinte Engelbert vom Bruck. »Die Franzosen verhöhnen sowohl die Katholiken als auch die Mennoniten. Es ist durchaus möglich, dass der Prinz dies bedacht hat.«
    »Trotzdem wird er wohl einen kurzen Halt bei den von der Leyen einlegen.« Abraham schüttelte den Kopf und rieb sich den Bart.
    »Nun ja, er soll kein Kostverächter sein. Und dort bekommt er bestimmt exquisite Speisen vorgesetzt.«
    »Habt Ihr die französische Zeitung von Köln gelesen?«, wollte Abraham von seinem Freund wissen.
    »Ja. Meint Ihr den Artikel über die Friedensverhandlungen? Darum gebe ich nicht viel. Mal sollen sie stattfinden, dann wieder nicht. Aber in der Zeitung stand auch, dass die Engländer ohne großen Widerstand Bellisle genommen hätten.«
    »Das war ein Artikel, der aus London kam. In einem weiterenArtikel aus Paris in derselben Zeitung stand, dass sie unter Verlusten zurückgeschlagen seien.«
    Vom Bruck lachte. »Dann müssen wir einfach abwarten, welche weiteren Neuigkeiten es geben wird. Auf die Presse ist kein Verlass.«
    Am Sonntag hielten die Mennoniten nur einen verkürzten Gottesdienst ab. Während die Katholiken schon in der Früh die erste Messe feierten, folgten um halb zehn die Protestanten mit dem Gottesdienst. Den Mennoniten waren Glaubensfreiheit und Ausübung ihrer Liturgien eingeräumt worden, doch ihr Gottesdienst durfte erst um halb elf beginnen. Und da der Prinz im Laufe des Nachmittags erwartet wurde, mussten alle kirchlichen Feiern um zwölf beendet sein.
    Ein normaler Gottesdienst dauerte für gewöhnlich drei Stunden. Manchmal, wenn Gastprediger die Stadt besuchten, sogar noch länger. Psalme wurden gesungen, nach den alten Traditionen – langsam und getragen. Eine musikalische Begleitung gab es nicht, Instrumente galten als nicht gottesfürchtig, sondern als eitel.
    Die protestantische Kirche hatte seit einigen Jahren eine kleine Orgel. Einen größeren Betrag zur Beschaffung des Instruments hatten die von der Leyen gespendet, sehr zum Entsetzen der mennonitischen Gemeinde.
    Abraham hatte Anna einmal zu einem Konzert mitgenommen. Zuerst fand sie die Musik befremdlich, aber dann drangen die Töne in sie ein, die Musik schien sie zu durchfluten. Es war wie eine Offenbarung, und auch die Psalmen und Lieder, die von der Orgel begleitet wurden, hatten eine viel größere Intensität als in ihren Gottesdiensten.
    »Ich habe das Gefühl, dass Gott durch die Musik mehrgepriesen wird, als wenn wir die Psalmen nur sehr langsam und laut vortragen«, sagte sie.
    »Da magst du recht haben. Indes sehen das unser Prediger und die Gemeindeältesten anders. Sie meinen, instrumentale Musik sei eitler Tand und stehe der Anpreisung Gottes entgegen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die Musik übertönt das Wort. Man kann sich in ihr verlieren, und sie wird zum Selbstzweck, zur Unterhaltung.«
    »Ja, und nichts Schönes und Wohlgefälliges kann gottesfürchtig sein.« Anna verzog das Gesicht. »Die von der Leyen sehen das jedoch anders. Ich habe gehört, dass sie auch unserer Gemeinde eine kleine Orgel stiften wollen.«
    »Das wird diskutiert, doch noch ist die Mehrheit dagegen. Sie

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