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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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Lohn für seine Arbeit. Henrike macht jetzt den Haushalt für ihre Mutter und ihre Familie – aber sie verdient kein Geld.«
    »Du hast jahrelang den Haushalt deines Onkels geführt und auch keinen Taler dafür erhalten.« Abraham zog die Augenbrauen hoch.
    »Das ist richtig. Aber das habe ich gemacht, weil ich es wollte. Für mich war das eine richtige und wichtige Entscheidung, auch wenn ich nicht gewusst habe, wie das Leben in Krefeld und bei meinem Onkel sein würde.«
    »Also eine mutige Entscheidung.«
    »Vielleicht war ich damals auch nur sehr naiv, Abraham. Und alles war erstmal besser, als weiterhin bei meinem Bruder und seiner Frau zu wohnen.« Anna senkte die Hände mit dem Flickwerk. »Aber es hätte mich auch viel schlechter treffen können als bei meinem Onkel.«
    »Ja, dein Onkel war ein herzensguter Mensch, Gott habe ihn selig. Doch zurück zu Henrike – meinst du nicht, sie ist zufrieden mit dem, was sie hat?«
    »Das glaube ich eben nicht. Sie ging ganz in ihrer Stellung beim Bürgermeister auf. Aber der Haushalt von Gottfried Floh ist auch nicht mit dem von Esther te Kamp zu vergleichen.«
    »Wahrlich nicht. Die Flohs und die von der Leyen prunken und protzen immer mehr, und das in einer Zeit, wo die meisten Menschen Hunger darben.« Abraham verzog missbilligend das Gesicht.
    »Aber sie unterstützen die Armen auch. Beide Familien haben einen großen Betrag und auch Lebensmittel für die Suppenküche gespendet.«
    »Das liebe ich so an dir«, sagte Abraham lächelnd. »Du siehst immer auch das Gute.«
    Nicht immer, dachte Anna und ärgerte sich über sich selbst. Die Magd hatte heute Morgen die Grütze versalzen.
    »Was ist nur mit Elise los?«, fragte Abraham, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Kränkelt sie immer noch?«
    »Sie ist fahrig«, murmelte Anna. »Sie isst wie ein Spatz, aber krank scheint sie mir nicht zu sein.«
    »Nun denn, lass uns hoffen, dass sie sich bald wieder im Griff hat.«Der Gedanke an die Familie te Kamp ließ Anna nicht los. Abends, als sie neben Abraham im Bett lag, dachte sie über die Töchter nach. Henrike war bislang ein herzerfrischendes, fröhliches Mädchen gewesen. In der letzten Zeit aber war sie blass und still geworden.
    Nein, dachte Anna, ihr schmeckt es sicher nicht, den Haushalt der Familie zu führen. Catharina hatte die Aufgabe hingebungsvoll erfüllt, ihr schien dabei nichts gefehlt zu haben. Nur zuviel war es für das zarte Mädchen gewesen – ohne die Unterstützung einer Magd oder eines Knechtes.
    Ob es etwas bringt, wenn ich mit Madame te Kamp spreche? Sieht sie nicht, dass Henrike unglücklich ist? Oder ist es ihr egal? Das konnte sich Anna nicht vorstellen. Wenn sie an Marijke dachte, dann war es ihr höchstes Streben, das Kind glücklich zu sehen. Sie legte die Hand auf den sich wölbenden Bauch. Auch dieses Kind liebte sie schon sehr.
    Hoffentlich, dachte sie, geht alles gut. Vor der Geburt fürchtete sie sich. Vielen anderen Frauen, wie ihrer Cousine Katrina, hatte sie in den letzten Jahren bei den Geburten und im Kindbett beigestanden. Damals war sie sich sicher gewesen, dass sie nie wieder ein Kind unter dem Herzen tragen würde.
    Umso mehr freute es sie, dass die Ehe mit Abraham direkt so fruchtbar begann. Doch Geburt und Kindbett waren immer ein Risiko – sowohl für die Mutter als auch für das Kind.
    Was, wenn ich sterbe? Was wird mit Marijke und Fritz? Sie drehte sich um, betrachtete ihren Mann. Abraham war ein liebevoller Ziehvater, er kümmerte sich rührend um Marijke.
    Das wird er auch tun, falls mir etwas zustößt, meinteAnna. Vorsichtig strich sie über seine Wange. Seit der Hochzeit im Oktober rasierte er sich nicht mehr, sondern trug stolz den Bart, nach alter mennonitischer Tradition.
    Viele der Männer folgten den Regeln nicht mehr. Es galt als modisch, glatt rasiert zu sein oder sich nur einen Backenbart stehen zu lassen. Auch manche Frauen trugen nicht mehr die alte Tracht mit Haube und Schürze, hochgeschlossen und ohne unmanierliche Knöpfe. Florale Muster tauchten auf den Kleidern auf, die Ausschnitte wurden größer, die Ärmel kürzer und weiter.
    Anna erinnerte sich noch an eine Unterhaltung mit ihrem Onkel. Er hatte ihr vor Jahren schon gesagt, dass sich die Sitten und Gebräuche und auch die Art, sich zu kleiden, verändern würde.
    Trotzdem konnte Anna den Prunk und Protz der Familien von der Leyen und Floh nicht nachvollziehen.
    Am Sonntag, dem 29. April, gab es ein großes Spektakel in der Stadt Krefeld.

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