Seidenmagd
zusammen. Oft kam auch Heinrich von der Leyen, um den Gesprächen beizuwohnen. An diesen Abenden beschäftigte Margaretha von der Leyen die französischen Offiziere, die sie im Quartier hatten, mit Brett- und Kartenspielen, ließ viele Speisen und noch mehr Wein auftragen.
Lautes Gelächter klang aus dem großen Salon, die Gäste schienen sich köstlich zu amüsieren.
Nur dumpfes Stimmengemurmel hörte man aus dem kleinen Salon, in dem die von der Leyen sich besprachen.
Catharina hatte ordentlich mit der Wäsche zu tun, staunte über die Vielfalt der Seiden- und Einstecktücher. Der Korb, den Gerald ihr gebracht hatte, war nur der erste von vielen gewesen. Sie wusch und flickte, plättete und nähte. Schließlich aber war die Arbeit zu ihrer Zufriedenheit getan. Niemand konnte oder wollte ihr genau sagen, wann die Reise losgehen würde, und so verharrte sie in gespannter Aufmerksamkeit. Auch ihre Sachen waren gepackt und reisefertig.
Das Kleid mit den Spitzenvolants für Madame hatte sie fast vollendet, nur noch wenige Nähte, Abnäher und Ziernähte, fehlten. Wenn sie in der Küche nicht gebraucht wurde, setzteCatharina sich in das kleine Dachzimmer und arbeitete. Immer wieder lauschte sie den Geräuschen des Hauses, die so fremd und ungewohnt für sie waren. Das raue Männerlachen, das Klirren der Gläser, das Quietschen, wenn die Stühle über den Parkettboden geschoben wurden. Auch der Tabak, den die Franzosen rauchten, roch anders als der, den die Gemeindemitglieder benutzten.
Endlich kam der Tag, den Catharina einerseits fürchtete, andererseits voller Spannung erwartete. Den Sonntag hatte sie mit ihrer Familie verbracht. Die vielen Fragen, die ihr die Schwestern stellten, konnte sie nicht beantworten, im Gegenteil, sie stellte sie sich selbst.
»Wo wirst du wohnen?«
»Sieht es dort anders aus?«
»Wie lange werdet ihr reisen?«
Dieses und viele andere Dinge beschäftigten sie. Ihre Mutter verabschiedete sich von ihr, so als ob sie einander am nächsten Sonntag wieder in der Kirche treffen würden. Catharina hatte gehofft, dass Esther noch ein persönliches Wort an sie richten, ihr vielleicht einige gute Ratschläge erteilen oder doch zumindest etwas Wärme und Herzlichkeit zeigen würde. Doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht.
Am Abend vor der Reise packte Mamsell einen Korb mit Proviant.
»Morgen in der Früh, noch bevor der Hahn kräht, werdet ihr aufbrechen. Frisches Brot packe ich dann noch ein und einige andere Dinge. Speck und Wurst, Wein und ein Krug dünnes Bier sind schon verstaut. Ebenso ein wenig Griebenschmalz, ein paar gebratene Hühnerschenkel und etwas geräucherte Entenbrust.« Sie stellte den Korb in den kühlen Keller. »Der junge Monsieur mochte einen ganzen Schinkenmitnehmen, Nele hat ihn in Leinen eingenäht. Ebenso wurden zwei kleine Fässer mit Wein aufgeladen.«
Die Berline, die Reisekutsche der Familie, stand schon im Hof. Auch die Kleidertruhen hatte man schon aufgeladen und verschnürt. Catharina war noch nie in einer solchen geschlossenen Kutsche gefahren. Sie hatte überhaupt noch nie eine Reise gemacht. Zwei- oder dreimal war sie in Moers gewesen, zusammen mit ihrem Vater, aber das war schon Jahre her.
Manchmal hatten die ter Meers die Familie te Kamp zu einem Ausflug an den Rhein oder nach Linn mitgenommen. Sie besaßen, im Gegensatz zu te Kamps, eine offene Droschke und einen Leiterwagen. Te Kamps hatten noch nicht einmal Pferde.
Wo werde ich sitzen? fragte Catharina sich. Neben dem Kutscher auf dem Kutschbock? Aber dann verdrängte sie die Fragen.
Sie hatte erwartet, kaum in den Schlaf finden zu können, doch kaum lag sie im Bett, fielen ihr die Augen auch schon zu.
Trude stand gemeinsam mit ihr auf. Inzwischen hatten die beiden Mädchen sich angefreundet, so unterschiedlich sie auch waren. Eilig nahm Trude den Wasserkrug und lief in die Küche. Sie brachte warmes Wasser in die kleine Dachkammer.
»Du sollst dich noch einmal ordentlich waschen können«, sagte sie und senkte den Kopf. »Ich werde dich vermissen«, fügte sie dann fast tonlos an.
»Ich dich auch!« Catharina schloss das Mädchen in die Arme. »Aber ich komme ja wieder.«
»Bloß wann?«
Catharina seufzte. Sie hatte versucht, von Gerald zu erfahren, wie lange die Reise dauern würde, doch er konnte ihr keine zufriedenstellende Antwort geben.
»Wir können in zwei Wochen da sein oder auch erst in sechs. Es hängt von vielen Unabwägbarkeiten ab – der Zustand der Straßen, der wiederum vom
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