Seidenmagd
Wetter abhängt. Wie die Truppenbewegungen sind, ob es zu Kämpfen kommt und andere Dinge mehr.«
»Kämpfe?« Catharina riss die Augen auf. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. »Ihr meint, wir könnten in Schlachten verwickelt werden?«
Gerald zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht. Monsieur ist immer gut informiert und wählt sichere Routen. Aber wir werden auf dem Weg auch in einigen Städten Halt machen und Nachrichten überbringen. Die Post ist heutzutage nicht immer zuverlässig. Erst letzte Woche wurde eine Postkutsche bei Düsseldorf ausgeraubt.« Er sah sie an, grinste dann. »Aber bei den vielen Reisen, die ich nun schon mit Monsieur gemacht habe, ist nie etwas Schlimmes passiert, also sorgt Euch nicht.«
Es war noch frisch, das erste Licht des Tages ließ sich kaum erahnen, als Catharina schließlich im Hof stand. Mamsell Luise hatte sie gezwungen, eine Schüssel heiße Grütze zu essen, und gab ihr ein Tuch in die Hand.
»Frisches Brot mit süßer Butter und Honig«, sagte sie und drückte Catharina gegen ihre Brust. »Pass auf dich auf und komme heil wieder.«
Gerald und der Kutscher Heinrich verstauten die letzten Dinge. Catharina wusste nicht, wohin sie sollte, und blieb deshalb einfach stehen. Die beiden Pferde schnaubten und schlugen unruhig mit dem Schweif.
Gleich, so sagte sie sich, werde ich Krefeld verlassen. Wer weiß, wie diese Reise wird. Ihr Herz pochte so heftig, dass sie meinte, jeder könne es hören.
»Bonjour!«, klang es fröhlich. Frieder von der Leyen kam durch die Küchentür in den Hof. »Können wir aufbrechen?««
»Oui, Monsieur.« Gerald sprang vom Dach der Kutsche herunter, öffnete die Tür des Gefährts.
Frieder stieg ein, setzte sich, dann beugte er sich vor und schaute durch die Tür zu Catharina.
»Mademoiselle, Ihr wollt doch sicher nicht laufen? Also steigt ein.«
Die Kutsche schwankte, und Catharina wäre beinahe gefallen, als sie einen Fuß in das Gefährt setzte. Lachend reichte Frieder ihr die Hand, zog sie hoch. Dann wies er auf den Platz sich gegenüber. Vorsichtig setzte sie sich hin, immer noch schwankte der Wagen. Dann gab es einen Ruck, und die Kutsche fuhr los.
Nun schaukelte der Wagen, schien sich zu heben und zu senken, während sie langsam durch die noch leeren Gassen der Stadt fuhren. Nur hier und da war jemand zu sehen, Mägde schütteten dreckiges Wasser auf die Straße, Bäuerinnen brachten ihre Karren zum Neumarkt, um dort ihre Stände aufzubauen.
Ein Hund kam aus einer Toreinfahrt gerannt und bellte wütend. Eins der Pferde wieherte aufgeregt, als ihnen ein Leiterwagen mit Holz entgegen rollte.
»Ihr schaut aus, als hättet Ihr einen Geist gesehen«, sagte Frieder von der Leyen amüsiert.
»Es ist so ... aufregend und so neu für mich.«
»Neu?«
»Nun ja, ich bin noch nie zuvor in einer Kutsche gefahren.Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwankt und schaukelt. So stelle ich mir eine Schifffahrt vor.«
»Ihr seid noch nie in einer Kutsche gefahren?«
»Nur in einem Leiterwagen. Und auch nur bis Moers. Weiter bin ich noch nicht gekommen.«
»Parbleu! Jetzt verstehe ich, warum Ihr so verängstigt ausschaut. Aber Ihr werdet Euch an das Schaukeln gewöhnen. Die Kutsche ist in Zugfedern gehängt. Wäre das nicht so, würde Euch nach zwei Stunden das Rückrad durchbrechen und der Steiß auch – auf jeden Fall würde es sich so anfühlen.« Wieder lachte er leise.
Sie unterhielten sich eine Weile, dann zog er ein Buch hervor und begann zu lesen. Catharina schaute durch das Fenster nach draußen. Die Stadt wurde kleiner. Dann fuhren sie durch den Bockumer Wald, und als sie nach Linn abbogen, war für einen Moment noch die Spitze der Kirche zu sehen. Sie fuhren an Gehöften vorbei durch die Heide und immer weiter. Catharina wurde es nicht satt, die Landschaft zu betrachten.
Gerald war mit Heinrich, dem Kutscher, auf den hohen Kutschbock gestiegen. Sie konnte das Gemurmel ihrer Stimmen hören, nicht jedoch verstehen, was sie sagten.
Die Stunden vergingen, und Catharina gewöhnte sich an die Bewegungen der Kutsche. Ihre Anspannung ließ nach, und irgendwann mussten ihr die Augen zugefallen sein. Sie erwachte erst, als die Kutsche anhielt. Verwundert sah sie sich um und rieb sich die Augen.
»Wo sind wir?«, fragte Catharina und schaute nach draußen.
»Bei Watereck. Am Rhein.« Frieder von der Leyen schmunzelte. »Hier wohnt Arnold Huyssen, ein wichtiger Mann,und seine Familie. Wir werden dort speisen.« Er stieg aus und
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