Seidenmagd
schmerzte nicht mehr so.
Änne brachte ihr den Aufguss und wenig später etwas Brühe. Immer noch lärmten die Soldaten in den Straßen. Kopfschüttelnd setzte sie sich zu Anna ans Bett.
»Was ist nur mit dieser Welt los?«, sagte sie leise. »Da bekriegen sich die Völker, und dann gehen noch die Soldaten einer Armee aufeinander los.«
»Abraham sagte, dass sie einen Mann in einer Schubkarre durch die Stadt fahren?«
»Ja, es ist grauenvoll erniedrigend. Sie beschimpfen ihn und bewerfen ihn mit Dreck. Eine Schande! So sollten Menschen nicht miteinander umgehen.« Dann tätschelte sie Annas Hand. »Aber du solltest dir darüber jetzt keine Gedanken machen. Du musst dich ausruhen.«
»Wie geht es Katrina?«
»Ihr geht es gut. Du weißt doch, Schwangerschaften sind keine Last für sie.«
Anna stiegen die Tränen in die Augen. Sie wünschte sichso manches Mal, dass sie es so leicht hätte wie ihre Cousine.
»Oh, du musst nicht betrübt sein«, versuchte Änne sie zu trösten. »Auch du wirst noch viele Kinder haben. Und die nächste Geburt wird bestimmt einfacher. Ich werde dir beistehen.«
»Das habe ich gehofft. Aber drei Monate muss das Kind noch in mir bleiben.«
»Und das wird es auch.« Wieder legte Änne die Hände auf den geschwollenen Leib ihrer Schwiegertochter. »Schon viel weicher. Trink noch einen Schluck von dem Aufguss.« Sie reichte ihr den Becher. »Was ist mit eurer Magd los? War sie schon immer so langsam?«
»Nein.« Anna schüttelte den Kopf. »Erst dachten wir, sie sei vielleicht krank, weil sie nichts mehr aß und so bleich war, doch das hat sich in der letzten Zeit wieder geändert. Ich fürchte, sie hat Liebeskummer.«
»Ach? Wer ist es denn?«
»Ganz genau weiß ich es nicht, nehme aber an, dass sie für den Docteur geschwärmt hat.«
»Den ihr so lange im Quartier hattet? Diesen unmöglichen Menschen?« Änne seufzte.
»Ja, de Lancet«, sagte Anna kichernd. »Ich habe sie ein paar Mal turtelnd im Hof erwischt. Doch vor sechs Wochen ist er endgültig abgereist.«
»Es ist ein Kreuz mit den Quartiergästen. Sie nehmen sich so einiges heraus. Bei Abraham haben sie einfach eine Wand durchbrochen, um einen Kamin einzubauen. Und bei te Kamps sind die Quartiergäste ihrer Nachbarn in den Hühnerstall eingebrochen.«
»Hast du etwas von Käthe gehört?«
»Sie ist immer noch auf Reisen mit dem jungen Monsieur. Ich als Mutter hätte das nicht zugelassen, aber Esther ist anders als ich.«
»Warum hättest du das nicht zugelassen?«, fragte Anna.
»Nun, ein junges Mädchen auf Reisen mit einem unverheirateten Mann – da würde ich mir schon Gedanken machen.«
»Aber Frieder von der Leyen ist ein Ehrenmann, und er hat sie als Kammerzofe eingestellt.«
»Sie reist mit ihm und seinem Burschen durch die Lande.« Änne schüttelte den Kopf. »Da mag wer weiß was passieren.«
»Ich bin damals mit der Postkutsche nach Krefeld gekommen. Und ich bin alleine gereist.« Anna stieg das Blut zu Kopf. »Hast du mich damals für ein leichtes Mädchen gehalten?«
»Dich?« Änne lachte. »Um Gottes willen, nein. Du warst ein Engel – das bist du auch geblieben, trotz der ganzen Unbill, die dir angetan wurde.«
»Meinst du, dass Käthe anders ist?«
Änne dachte nach. »Eigentlich nicht. Aber du hattest ein festes Ziel vor Augen, du wolltest nach Krefeld zu deinem Onkel. Die Fahrt dauert ja einige Tage, aber die Fahrt nach Potsdam dauert Wochen. Sie reisen in einer Kutsche, machen womöglich Halt in Gasthäusern. Da kann einiges passieren, was ich ihr natürlich nicht wünschen würde.«
»Käthe hatte große Angst vor der Reise.«
Änne nickte. »Das ist auch etwas, was ich nicht begreife. Esther wusste von ihrer Angst, hat es trotzdem befürwortet, dass sie mitreist.« Sie seufzte wieder. »Esther mag Hoffnungen haben, aber die werden sich nicht erfüllen.«
»Hoffnungen?«
»Nun, ja. Frieder von der Leyen betreffend.«
Anna sah ihre Schwiegermutter an. Für einen Moment war sie sprachlos. »Das ist ja fast so, als hätte sie das Kind verkauft«, sagte sie dann.
Änne nickte. »Aber Käthe ist nicht dumm. Sie wird sich schon zu helfen wissen.«
»Henrike leidet auch sehr unter der Situation.«
»Die Gemeindeältesten haben Esther jetzt – wo es ihr finanziell besser geht – nahegelegt, doch wieder eine Magd anzustellen. Ich denke, sie wird dem Rat folgen.«
»Wenn er von den Gemeindeältesten kam, wird er auch mit dem nötigen Ernst ausgesprochen worden sein«, sagte Anna und
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