Seidenmagd
die Augen. Schon wieder jemand, der bei ihnen wohnen, essen, schlafen und sie belauschen würde. Die Einquartierungen waren nicht nur kostspielig, sie raubten auch Substanz.
Eine Woche später ging es Anna schon wieder besser. Zu den Mahlzeiten kam sie in die Küche, ansonsten saß sie entweder im Hof in der Sonne und beschäftigte sich mit Handarbeiten, oder sie lag in der Stube auf der Chaiselonge.
Änne hatte alles getan, um Elise zur Arbeit anzutreiben und ihre Bemühungen schienen gefruchtet zu haben. Es blitzte und blinkte auf einmal, die Wäsche wurde gewaschen, und selbst das Essen stand pünktlich auf dem Tisch.
Am 6. Juni, es war ein Samstag, stand Abraham schon vor dem Morgengrauen auf.
»Ist etwas passiert?« Anna fuhr erschrocken hoch.
»Nein, Liebes. Dreh dich um und schlaf weiter.«
»Und du?« Anna kannte ihren Mann, er stand nicht ohne Grund auf.
»Heute soll, nach den Berechnungen der Astronomen, Venusdurch die Sonnescheibe treten. Ich möchte versuchen, das durch meinen Tubus zu beobachten.«
Vor einigen Jahren hatte sich Abraham mit speziell geschliffenen Linsen ein Fernrohr gebaut. Seitdem war das Betrachten der Himmelskörper eine seiner Leidenschaften.
»Die Venus tritt vor die Sonne? Und das hast du mir nicht gesagt?« Anna teilte inzwischen seine Begeisterung. So manche Nacht hatten sie in der Dachstube verbracht, wo er ein großes Fenster hatte einsetzen lassen, um auch bei kaltem Wetter den Himmel durch das Fernrohr betrachten zu können.
Anna schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf. Rasch zog sie sich an und folgte ihrem Gatten in das Dachgeschoss.
Selig standen die beiden Hand in Hand in der Kammer und bewunderten das astronomische Schauspiel.
Kapitel 19
In Hannover stieg Frieder von der Leyen mit seinen Begleitern bei Verwandten ab. Als sie in die Stadt fuhren, staunte Catharina nicht schlecht. Schon vor der Stadt verwehrte eine Landwehr Eindringlingen den Weg, doch darauf folgten Wassergräben und eine Stadtmauer, die mit vielen Türmen bewehrt war. Diese Stadt, so befand sie, war wahrlich schwer einzunehmen.
Ein Fluss floss durch die Innenstadt, die mit den vielen Bäumen und Grünanlagen ein schönes Bild bot. Die Straßen waren alle gepflastert, die Häuser groß.
Das Haus des Cousins von Monsieur lag am Rande desMarktplatzes. Sie bekamen einen Flügel, indem auch eine Küche und ein Speisezimmer vorhanden waren.
»Soll ich jetzt hier für Euch kochen?«, fragte Catharina verunsichert ihren Herrn.
Frieder lachte. »Um Gottes willen, nein. Wir sind hier zu Gast bei meinem Cousin. Ward ihr schon einmal bei einer Messe?«
»Einem katholischen Gottesdienst?«
Wieder lachte er. »Nein, einem Oratorium. Das ist eine gesungene Lobpreisung.«
»Das kann nicht gottfürchtig sein.« Catharina schaute ihn entrüstet an.
»Ich habe mir gedacht, dass Ihr so darüber denkt.« Er schmunzelte. »Und deshalb habe ich uns Karten besorgt. Ihr habt doch sicherlich ein feines Kleid dabei?«
Catharina stieg das Blut in die Wangen. »Feines Kleid? Ist das dann auch eine Zurschaustellung in der Öffentlichkeit?«
»Ich finde, Ihr müsst von Euren prüden Lebensansichten herunterkommen.«
»Prüde?« Catharina schnaubte. »Ich bin nicht prüde, sondern möchte gottgefällig leben.«
»Wir sprechen morgen noch mal darüber. Nun packt Eure Truhe aus und zieht Euch ein schönes Kleid an. Eure Reisekleidung könnt Ihr der Magd geben, sie wird sie säubern. Wir werden einige Tage hier verbringen.«
Der Magd? fragte sich Catharina verwundert. Bin ich nicht die Magd? Sie folgte dem Mädchen, welche sie durch den Flügelanbau des Hauses führte. Am Ende des Ganges öffnete das Mädchen die Tür zu einem Zimmer.
»Bitte schön, Mademoiselle.«
Voller Staunen trat Catharina ein. Dies war kein Bedienstetenzimmer.Ein großes Himmelbett mit schweren Vorhängen stand in dem Raum, die Böden waren mit Teppichen bedeckt. Das muss ein Irrtum sein, dachte sie, doch dann entdeckte sie ihre Reisetruhe am Fuße des Bettes.
»Soll ich Euch heißes Wasser bringen?«, fragte die Magd. »Und habt Ihr noch andere Wünsche? In einer halben Stunde wird ein kleiner Imbiss aufgetragen, so dass ihr Euch stärken könnt.«
»Heißes Wasser wäre wundervoll«, sagte Catharina leise. Sie kam sich vor wie in einem Traum und wartete darauf, endlich aufzuwachen.
»Mein Name ist Sofie«, sagte die Magd, als sie den Krug brachte. »Wenn Ihr noch Wünsche habt, ruft nach mir.«
Catharina hätte beinahe
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