Seidenmagd
auf die Straße setzen. Wo soll ich denn dann hin? Ins Armenhaus?«
»Wir könnten versuchen, dir eine Stellung auf einem der Gehöfte zu verschaffen. Das ist harte Arbeit, weit aus härter als hier, aber dort stört sich niemand an einem Bastard.«
»O bitte ...« Wieder schluchzte Elise auf. »Ich möchte hierbleiben dürfen.«
»Wer ist denn nun der Vater?«
»Das möchte ich nicht sagen.«
»Dir ist nicht zu helfen, Kind.« Änne seufzte auf. »Und es ist auch nicht meine Entscheidung. Setz Wasser für eine kräftige Brühe auf, ich habe Rinderknochen besorgt, die kannst du auskochen. Das wird Anna wieder Kraft geben. Und danachlässt du dir vom Knecht Wasser in den großen Kessel füllen und kochst die blutigen Laken aus, die ich in kaltem Wasser eingeweicht habe.«
Änne rührte zwei Eigelb in lauwarmes Dünnbier, stieg die Treppe hoch zum Schlafbereich der Familie. Vorsichtig öffnete sie die Tür zum Schlafzimmer. Ihre Schwiegertochter lag im Bett, das Neugeborene im Arm.
»Du schläfst ja nicht.« Änne trat ein, setzte sich auf die Bettkante und reichte Anna den Becher. »Bier mit Eigelb, das gibt Kraft. Außerdem habe ich einen Aufguss mit Frauenmantelkraut angesetzt, das hilft deinem Körper nach der Geburt.«
»Ist sie nicht wunderschön?« Anna strahlte und strich dem Säugling mit den Fingerspitzen über den Kopf. »Und wie viele Haare sie hat. So weich – alles an ihr scheint weich zu sein.«
Änne lächelte. »Hatte ich dir nicht gesagt, dass alles ein gutes Ende nehmen wird?«
Anna seufzte. »Noch haben wir die kritischen Tage nicht überstanden, Mutter.« Sie nippte an dem Becher, verzog das Gesicht. »Das mag Kraft geben, aber es mundet ganz und gar nicht.«
Änne lachte. »Du bekommst gleich eine kräftige Fleischbrühe.« Aufmerksam schaute sie ihre Schwiegertochter an. Noch war Annas Gesicht bleich, Ringe lagen unter ihren Augen. »Wenn du das ausgetrunken hast, möchte ich deinen Bauch untersuchen, sehen, ob sich alles gut zurückbildet.«
Anna stöhnte auf. »Muss das wirklich sein?« Sie stellte den Becher auf die Truhe neben dem Bett, hob den Säugling hoch und schnupperte an dem Kopf. »Sie riechen immer so gut. Es ist ein ganz besonderer Duft.«
»Ja.« Änne nickte. »Ich habe ihn geliebt, bei all meinen Kindern und bei allen, denen ich auf die Welt geholfen habe. Was sagt Abraham?«
»Oh.« Anna lachte leise. »Er ist ganz verliebt in sie.«
»Habt ihr schon einen Namen?«
»Sie soll Annegrijt heißen. Nach meiner Mutter und dir.«
Änne spürte, dass sie rot wurde. »Das ist eine Ehre für mich. Ein schöner Name für ein schönes Kind.« Sie nahm Anna den Säugling aus den Armen, legte das Kind in die Wiege, die Abraham aufgestellt hatte. »Und nun lass mich schauen. Du hast viel Blut verloren.« Sie schob die Decke zurück und tastete vorsichtig Annas Bauch ab. »Du musst auf jeden Fall den Aufguss trinken. Elise bringt ihn dir gleich.«
Nachdenklich ging sie zurück in die Küche. Die Magd hatte die Knochen zusammen mit Gemüse aufgesetzt, es duftete schon köstlich nach Rinderbrühe. Auch buk ein Brot im Ofen. Abraham saß auf der Küchenbank, schaute in den Hof, wo Marijke mit dem alten Kater spielte. Er sah seine Mutter fragend an.
»Wie geht es den beiden?«, wollte er besorgt wissen.
»Gut soweit. Aber erst die Zeit wird es zeigen.« Änne verkniff sich ein Seufzen, doch Abraham bemerkte ihre Sorge.
»Es ist nicht alles gut? Bitte, lass mich nicht im Ungewissen.«
»Die Geburt war schnell, aber deine Frau hat sehr gelitten und viel Blut verloren. Sie ist ängstlich, und ihre Gemütslage ist nicht förderlich für ihre Genesung. Trost gibt ihr das Kind. Annegrijt wollt ihr es nennen? Ein schöner Name.«
»Sie hat sehr gelitten?« Abraham wischte sich mit der Hand über das Gesicht. »Gibt es etwas, was wir tun können?«
»Nein, sie braucht Ruhe und Zeit. Aber beten können wir.« Änne setzte sich neben ihren Sohn auf die Bank, faltete die Hände und senkte den Kopf im stillen Gebet, Abraham tat es ihr gleich.
»Darf ich mein Schwesterchen endlich sehen?« Marijke kam in die Küche gestürmt. »Ich möchte meine Schwester sehen.«
»Nein!«, sagte Abraham streng. »Deine Mutter braucht Ruhe.«
Marijke verzog betroffen das Gesicht. »Ich bin auch ganz leise«, wisperte sie.
»Natürlich darfst du deine Schwester begrüßen.« Änne stieß ihrem Sohn mit dem Ellenbogen in die Seite. »Ich nehme dich gleich mit hoch, wenn ich deiner Mutter einen Tee
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