Seidenmagd
kannte sie kaum und sie ihn ebenso wenig. Auchwenn er kaum mehr zu Bewusstsein gekommen ist, glaube ich doch, dass er meine Anwesenheit gespürt hat und ihm dies den Übergang leichter gemacht hat.«
Frieder goss ihnen beiden Wein ein, er drehte das Glas zwischen den Fingern. »Ich werde über Eure Worte nachsinnen. Doch nun kommen wir zu etwas Erfreulichem – heute Abend gehen wir in eine Oper von Piccinni. ›La buona figliuola‹ heißt sie – das bedeutet ›Das freundliche Mädchen‹. Sie wird auf Italienisch vorgetragen.«
»Oh.«
»Ich nehme an, Ihr versteht die Sprache nicht?«
Catharina schüttelte den Kopf. »Noch weniger als Englisch.«
»Das macht gar nichts, ich habe Euch eine kleine Zusammenfassung der Handlung geschrieben.« Frieder reichte ihr lächelnd ein paar Blätter. »Das Thema ist recht einfach – es geht um Liebe und den gesellschaftlichen Stand.« Er nippte an dem Wein, kostete vom kalten Braten. »Ist Euer Kleid fertig?«
»O ja.« Catharina strahlte. »Ich hoffe, ich habe es zu Eurer Zufriedenheit genäht.«
Frieder mochte nicht viel essen, aber er nötigte sie, kräftig zuzulangen, und füllte ihren Teller. Bevor sie aufgegessen hatte, verließ er den Salon.
Schnell nahm sich Catharina noch weiteren Braten und von dem köstlichen weißen Brot, brachte all das auf ihr Zimmer. Ihre Hoffnung, dass sich Thea noch dort aufhielt, wurde erfüllt.
Sie gab der alten Frau den Teller, lächelte. »Lass es dir schmecken, das Fleisch ist zart und köstlich, das Brot weich und süß.«
Kapitel 25
Nachdenklich saß Catharina in ihrem Zimmer und las die Handlung der Oper. Bisher hatte sie von diesen Singspielen nur gehört, und was sie gehört hatte, klang weder schlicht noch gottesfürchtig. Ich werde es mir ansehen, dachte sie und danach entscheiden. Ob unsere Gemeindeältesten, die diese Dinge als Teufelswerk verurteilen, überhaupt schon einmal einer Oper beigewohnt haben? Vermutlich nicht.
Dennoch konnte sie den Grundgedanken der Gemeindeältesten durchaus verstehen – es war ein Singspiel zur reinen Unterhaltung, Tand und Protz und nutzloser Zeitvertreib. Wahrscheinlich saß keine Frau im Theater und stopfte Strümpfe oder nahm ihr Flickzeug mit.
Sie konnte sich auch überhaupt nicht vorstellen, wie ein Theater aussah und wie ein Singspiel ablief. Wieder nahm sie die Blätter hoch und las.
»Der Marquis de Conchiglia hatte sich in die Magd Cecchina verliebt. Dies war aber eine gesellschaftliche Unmöglichkeit.«
Verwirrt senkte Catharina das Blatt.
Gegen Abend klopfte Sofia an Catharinas Zimmertür. »Ich soll Euch beim Ankleiden helfen, Mademoiselle.«
Das prächtige Kleid lag ausgebreitet auf dem Bett. Noch immer scheute sich Catharina davor, es anzuziehen, es schien so gar nicht zu ihr zu passen. Doch als die Ösen verschlossen, die Schleifen gebunden waren, drehte sie sich entzückt im Kreis. Weich und angenehm lag der blumige Seidenstoff auf ihrer Haut, es fühlte sich so ganz anders an als der kratzige Wollstoff, das harte Leinen ihrer anderen Kleider.
An der Wand hing ein großer Spiegel. Verzückt betrachtete sie sich.
»Es steht Euch ganz ausgezeichnet, Mademoiselle«, sagte Sofia leise. »Nur die Frisur nicht.«
»Wieso?« Catharina fuhr mit beiden Händen zu dem Haarknoten in ihrem Nacken. Wie immer hatte sie die Haare straff zurückgenommen, einen festen Zopf geflochten und diesen hochgesteckt. »So habe ich sie doch immer.«
»Möglich.« Sofia lachte. »Aber Ihr tragt ja auch sonst nicht dieses Kleid. Setzt Euch, ich werde Euch die Haare richten.«
Seit sie Kind gewesen war, hatte niemand mehr ihre Haare gebürstet, es fühlte sich seltsam an, als Sofia nun ihren Knoten löste. Ihre Haare fielen in leichten Wellen über ihren Rücken.
»Wunderschön seid Ihr«, meinte Sofia. »Ich habe noch nie so ein Blond gesehen. Behandelt Ihr das Haar mit etwas?«
Fragend hob Catharina den Kopf. »Behandeln?«
»Nun ja, Madame hat sich aus Amsterdam ein Pülverchen kommen lassen, das mit etwas Wasser anrührt und dann auf ihre Haare gibt. Angeblich werden die Haare dadurch schöner.«
»Aber sie pudert sie doch auch?«
Sofia schüttelte den Kopf. »Nein, sie trägt nur meistens eine gepuderte Perücke. Ihr habt keine Perücke, nicht wahr?«
»O nein, das wäre eitel.«
»Bei Eurem Haar habt Ihr dafür auch keine Verwendung.« Sofia kämmte die Haare, fasste sie dann zusammen und steckte sie hoch. Einige Strähnen ließ sie offen. Insgesamt wirkte die Frisur nun
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