Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
kein Mensch heraus. Nie.«
»Schwachsinn. Du glaubst doch nicht, dass ich jemanden umbringe. Wie blöd bist du eigentlich? Willst du dich wirklich des Mordes schuldig machen?« Ina stand auf, ging unruhig durch das kleine Büro.
Jens senkte den Kopf. »Ich wollte dir nur einen Gefallen tun«, sagte er. »Du bist doch so unglücklich, dass Oliver so viel Zeit mit ihr verbringt. Wenn sie tot ist, kann er das nicht mehr.«
»Richtig. Aber ich bezweifle, dass er dann mehr von seiner Zeit Finn opfert.« Sie tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schneidezähne. »Was machen wir jetzt bloß mit ihr?«
»Willst du, dass ich sie laufen lasse?«
»Ja, aber nicht sofort«, sagte Ina nachdenklich. »Sie soll ein wenig leiden. Und Oliver auch. Ist sie noch betäubt?«
»Vermutlich.«
»Hast du noch den Proberaum in dem alten Bunker?«
»Ja.« Jetzt grinste Jens wieder. »Das perfekte Verlies, kein Geräusch dringt nach außen.«
Sabine hörte die Worte, konnte sie aber nicht einordnen. In ihrem Kopf hämmerte und pochte ein stechender Schmerz. Sie wusste nicht, wo sie war und wie lange sie schon gefangen gehalten wurde. Wie Bilder einer Power-Point-Präsentation schossen ihr Erinnerungen durch den Kopf. Ich werde gefangen gehalten, wurde ihr klar. Diesmal werde ich sterben, dachte sie und spürte das Entsetzen, das langsam in ihr hochkroch und sich in ihrer Kehle festsetzte. Noch einmal überlebe ich das nicht.
Der Geruch von verfaultem Fleisch legte sich klebrig in ihre Nasenöffnungen, das Surren der Fliegen brummte in ihren Ohren. Ich werde sterben. Ihr wurde schwarz vor Augen.
Als sie wieder wach wurde, lag sie auf einer Liege. Langsam spürte sie in sich hinein. Der Kopf hämmerte immer noch schmerzvoll, so als hätte sie viel zu viel Alkohol getrunken. Noch traute sie sich nicht, die Augen zu öffnen, lauschte. Doch es war kein Geräusch zu hören, noch nicht mal das Brummen des Verkehrs oder das Zwitschern eines Vogels. Es war eine unnatürliche Stille, eine künstliche, todesgleiche Stille. Ihr wurde schlecht, Übelkeit stieg aus dem Magen empor wie Schlamm in einem Klärbecken.
Ich bin nicht mehr geknebelt, stellte sie erleichtert fest, als sie nicht mehr gegen das Gefühl ankämpfen konnte und sich übergab. Vorsichtig schaute sie sich um. Sie lag in einem quadratischen Raum, in der Ecke brannte eine kleine Lampe. Die Wände und die Decke waren mit Schaumstoff verkleidet. Sie war allein.
Wieder lauschte sie, dann stand sie vorsichtig auf. Um ihr rechtes Handgelenk lagen Handschellen, die mit einer Kette verbunden waren. Die Kette war an einem Eisenring in der Wand befestigt. Sie kam bis zu einem kleinen Campingklo, aber nicht viel weiter.
Ihre Zunge fühlte sich dick und taub an, der schlechte Geschmack in ihrem Mund ließ nicht nach, und immer noch hatte sie den klebrigen Geruch von Verwesung in der Nase.
Ich werde sterben, dachte sie voller Angst und setzte sich auf die Liege. Es war klamm und kalt in dem Raum, sie begann zu zittern und fürchtete, nie wieder aufhören zu können.
* * *
»Und dann haben wir sie in den Proberaum gebracht.« Ina zog einen Schmollmund. »Wir haben ihr nichts weiter getan.«
»Sie hat eine Lungenentzündung«, meinte Ermter trocken. »Und die Injektionsstelle hat sich entzündet.«
»Aber wir hätten sie wieder freigelassen. Wir haben ihr ansonsten nichts angetan. Sie hat zu essen bekommen, und wir haben ihr sogar ein Campingklo aufgestellt.« Ina senkte den Kopf. »Es war dumm, das weiß ich. Irgendwie hat sich die Geschichte verselbstständigt, und wir kamen nicht mehr raus.«
»So etwas Blödes habe ich ja noch nie gehört«, murmelte Fischer. Er verließ den Vernehmungsraum und zückte sein Handy.
»Hallo, Oliver. Wie geht es ihr?«
»Sie hat schon Medikamente bekommen, Antibiotika und einen Tropf. Die kalte, feuchte Luft ist ihr nicht besonders gut bekommen. Sie sagte, zuerst hätte sie noch ein wenig Bewegungsspielraum gehabt. Sie hat versucht, das Dämmmaterial wegzukratzen, hat geschrien und gegen die Wände gehämmert. Natürlich ohne Erfolg. Dann haben sie sie an das Bett gefesselt. Einmal am Tag war Ina da und hat ihr zu Essen gegeben. Aber nicht genügend zu trinken. Sie ist dehydriert, doch das kriegen die Ärzte wohl in den Griff.« Er seufzte. »Sie wird ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müssen.«
»Immerhin ist sie am Leben«, sagte Fischer.
»Ja.« Oliver schwieg einen Moment. »Wo ist Finn?«, fragte er dann.
»Martina kümmert sich um
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