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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wenn er Hilfe braucht, ruft er mich.«
    Ein gelbweißer Wolfshund lag vor einer Hundehütte. Nun richtete er sich knurrend und zähnefletschend auf. Zum Glück war er an eine lange Leine gebunden.
    »Warte«, sagte Kunio. Er rieb kurz meine Handfläche, als wolle er den Geruch meiner Haut mit sich tragen. Dann pfiff er auf besondere Art, trat dem Wolfshund entgegen, der sich sofort duckte und freudig winselte. Kunio ging in die Knie, legte die Arme um das Tier. Der Hund richtete sich auf, stemmte die Pfoten auf seine Schultern. Kunio rieb ihm die Ohren. Dann hielt er seine Handfläche an die Nüstern des Tieres. Der Wolfshund schnupperte und leckte die Handfläche.
    »Komm!« sagte Kunio zu mir. »Aber langsam.«
    Der Hund knurrte, diesmal leiser. Kunio hielt ihm wieder seine Handfläche unter die Nüstern; er murmelte mit leiser Stimme ein paar Worte dabei, immer wieder die gleichen. Nach und nach erstarb das Knurren. Der Hund wurde still, aber seine Augen ließen von mir nicht ab.
    »Noch näher!« sagte Kunio zu mir.
    Er fuhr fort, sanft und freundlich mit dem Hund zu sprechen.
    Wenn ich jetzt den Arm ausstreckte, könnte ich das Tier berühren.
    »Deine Hand«, sagte Kunio.
    Ich reichte sie ihm ohne Furcht. Er legte sie auf den Kopf des Hundes und lächelte mir zu.
    »Jetzt reib ihm den Nacken.«
    Ich tat, was er sagte. Das Fell fühlte sich rauh und warm an.
    Der Hund blinzelte und wedelte mit dem Schwanz. Kunio richtete sich zufrieden auf.
    »Es ist gut. Ihr seid Freunde.«
    Der Hund beschnüffelte mich, gähnte dann, legte sich in den Sand und kreuzte die Pfoten.
    »Jetzt kennt er dich«, sagte Kunio. »Er wird nie mehr bellen wenn du kommst, und er wird sich immer von dir streicheln lassen.«
    »Du kannst gut mit Tieren umgehen«, sagte ich.
    Er nickte. Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht.
    »Hanako auch, das habe ich von ihr.«
    »Wo ist sie?« fragte ich. »Kann ich sie sehen?«
    »Ich glaube, sie macht einen Spaziergang. Aber sie wird bald wieder da sein.«
    Ein paar Trittsteine führten zum Haus. Unter dem Vordach bimmelte ein kleines Windglöckchen aus Bronze. Plötzlich ging die Tür auf, und eine junge Frau erschien. Sie mußte ge-hört haben, wie der Hund bellte.
    »Meine Schwester Rie«, sagte Kunio. Er stellte mich vor.
    Rie hatte das gleiche blauschwarze Haar wie Kunio. Sie trug es schulterlang, mit einem Pony bis zur Stirnmitte. Sie hatte eine schön geformte, ausgeprägte Nase und hoch angesetzte Bak-kenknochen. Ihre Haut war hell und außerordentlich feinporig; sie sah wie gepudert aus, dabei war sie bis auf einen Hauch von nelkenrotem Lippenstift ungeschminkt. Sie trug Shorts und eine weiße Hemdbluse; ihre Beine waren lang, glatt und wohlgeformt. Ihr Ausdruck war freundlich, aber kühl, und ich erinnerte mich an das, was Kunio mir über sie gesagt hatte. Wir verneigten uns. Ich entschuldigte mich für mein schlechtes Japanisch. Ein Schimmer von Überraschung glitt über Ries Gesicht.
    »Sie sprechen sehr gut Japanisch!«
    Ich winkte lachend ab.
    »Nein, überhaupt noch nicht!«
    »Doch, das müssen Sie mir glauben!«
    Ihr Gesicht hatte seinen starren Ausdruck verloren; sie lä-
    chelte, wenn auch nur verhalten, und ich sah den weißen Schimmer ihrer Zähne. Ihre Stimme war klar und tief, und sie sprach laut.
    »Bitte, kommen Sie herein! Mein Vater wird sich freuen.«
    »Wie geht es ihm heute?« fragte Kunio.
    Sie verzog die Lippen.
    »Er sagt, blendend!«
    Ich zog meine Schuhe aus und blickte zu Rie empor.
    »Kunio hat mir erzählt, daß Sie Buchhändlerin sind.«
    »Ja, aber nur vier Tage in der Woche, seitdem es Vater nicht gutgeht. Natürlich ist es manchmal problematisch. Das ständige Hin- und Herreisen, meine ich. Aber ich mag meinen Job.«
    Wir ließen unsere Schuhe auf dem Steinfußboden stehen. Ich hatte gelernt, sie sorgfältig nebeneinander zu stellen und die Spitzen zur Tür zu drehen, damit ich beim Hinausgehen ohne umständliche Verrenkungen wieder hineinsteigen konnte. Als ich auf die Matten in dem Gang trat, fiel mein Blick auf eine Nische aus ungehobeltem Holz. Um eine wunderschön glasierte Vase, schillernd wie ein Wasserspiegel, rankten sich lila Win-denblüten. Vom zartesten Rosa zu bläulichen Reflexen verdichtet, zeigten sie ein Bild von zärtlicher, fast schmerzvoller Schönheit.
    »Haben Sie das Blumenarrangement gemacht?« fragte ich Rie.
    Sie schüttelte lebhaft den Kopf.
    »Nein, nein! Die Blumen steckt meine Großmutter. Ich habe keine Geduld dazu. Und viel zu

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