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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Kraftprobe werden. Sagon hat mehr Angst als ich. Er sagt, es würde genügen, wenn ich die Maske am Tag der Aufführung trage. Er hat mir sogar vorgeschlagen, ohne die Maske zu tanzen. Das will ich nicht, das wäre Abwei-chung von der Tradition.«
    Er nickte, den Blick auf den Bach gerichtet; das Wasser kräuselte sich, vielfarbig glitzernd von den Spiegelbildern der Neonlichter und der Akachôchin, der roten Laternen vor den Nudelbars. Schließlich sagte Kunio:
    »Daisuke Kumano hat eine Zeremonie für dich abgehalten.«
    »Er hat getan, was in seiner Macht stand. Aber er hat mich gewarnt. Ich bin nicht so leichtfertig zu glauben, daß die Dinge unbeseelt sind. Masken sind immer auf irgendeine Art lebendig. Diese ist besonders. Es geht etwas Böses von ihr aus. Aber ihre Bosheit empfinde ich als… sagen wir mal, abmeßbar. In der Klapsmühle werde ich ihretwegen nicht landen. Dazu bin ich doch zu nüchtern veranlagt. «
    »Du könntest Schaden nehmen.«
    Ich dachte darüber nach.
    »Schaden nehmen? Du weißt, ich mache Tanztherapie. Da ist man verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Als Künstlerin bin ich dem Wahnsinn sehr nahe. Das will aber nicht heißen, daß ich porös bin. Du verstehst mich vielleicht?« setzte ich hinzu.
    Er legte den Arm um mich.
    »Doch, ich glaube.«
    Ich drückte die Stirn an seine Schulter, als ein Leuchtfeuer aus der Dunkelheit zischte und mit lautem Knall platzte. In den Sommermonaten hatte jeder Quartierschrein sein Fest; irgendwo am Stadtrand ging ein Feuerwerk hoch; Raketen Schossen pfeifend in den Nachthimmel, verwandelten sich in Blumen, die langsam, wie an einem Stiel, hinabrieselten. Blühende Gärten entfalteten sich über der Stadt, violette und rote Quallen schwammen in den Wolken, wirbelnde Sterne zerplatzten mit ohrenbetäubendem Krachen. Dichte Menschengruppen verstopften die Straßen. Sie lachten, spendeten Beifall, stießen bewundernde Rufe aus. Wir hielten einander umschlungen, betrachteten unsere Gesichter, die rot und grün und golden aufleuchteten. Ein schwacher Hauch des warmen Augustwin-des traf unsere Wangen. Kunio vergrub seinen Mund in meinem Haar, nahm verstohlen eine Strähne in den Mund. Er zog mich an sich, im purpurnen Prasseln der Feuergarben. Ich spür-te seine Hüften, die langen Schenkel, die breite Gürtelschnalle seiner Jeans. Seine Wärme umfing mich, durchdrang mich, strahlte unterhalb des Nabels aus, flackerte bis in die Lenden.
    Ich stöhnte leise, legte beide Hände auf sein Gesicht.
    »Komm!«
    38. Kapitel
    I mmer noch keine Nachricht von Lea. Ich versuchte, bei ihrer Freundin in Nizza anzurufen. Der Hörer wurde nicht abge-nommen. Beunruhigt war ich nicht. Lea hatte mir ja mitgeteilt, daß sie viel unterwegs sein würde. Was mich quälte, war das eigentümliche Gefühl, daß ich ein Wissen hatte, das sie betraf und das ich nicht mit ihr teilen konnte. Ich trug in mir ein Geheimnis; dieses unbeschreibliche Gefühl, daß ihre Empfindungen sich in mir versammelt hatten. Daß mein Lebenslauf und ihr Lebenslauf sich deckten, daß die gleichen Tücher unsere Seelen verschleierten.
    Ich suchte Daisuke Kumano auf. In letzter Zeit hatte ihn die Vorbereitung des Festes in Anspruch genommen. Ich war ihm mehrmals begegnet, aber nie allein. Ich hatte das Bedürfnis, mit ihm zu sprechen. Man sagte mir, zu dieser Zeit arbeite er im Garten. Ich folgte dem Fußweg zwischen holprigen Steinen.
    Die Sonne stand schräg, und ihre Strahlen beschienen mit goldenem Licht die verschlungenen Kiefern, die Steineichen, die verblühten Azaleen. Alle Bäume und Sträucher waren Gestal-tungselemente, und doch wirkte der Garten wild. In den Bäumen flatterten die Krähen, die guten Geister des Schreins, und eine junge Katze kauerte unter dem Steinsockel eines kleinen Opfergabenaltars. Sie trug ein Halsband, an dem ein winziges Glöcklein klingelte. Gitterstäbe aus gespaltenem Bambus bildeten einen Zaun um den Gemüsegarten. Daisuke kauerte dort in seinem weißen Hosenrock am Boden. Er stocherte mit einem Spaten in einem Zwiebelbeet, rupfte Unkraut aus und sah mit spöttischer Heiterkeit zu mir empor. Ich verneigte mich und wünschte guten Abend. Daisuke richtete sich auf, erwiderte meinen Gruß.
    »Konnichi-wa, Ruth-San. Schön, dich zu sehen.«
    Ich lächelte.
    »Sie haben Zwiebeln gepflanzt?«
    Er nickte gewichtig, den Schelm in den Augen.
    » A honto! Und auch Rettiche, Kartoffeln, Kürbisse und wei-
    ße Gurken. Sie schmecken am besten aus dem eigenen Garten,

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