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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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alt«, sagte Keiko zu mir, mit wehmütigem Lächeln.
    »Wer weiß, wie lange ich noch die Stoffdrucke fertigbringe.
    Eines Tages werden meine Arbeiten verschwinden. Und es ist mir lieb, daß eine Ausländerin, deren Großmutter in japanischer Erde ruht, dieses bescheidene Werk als Erinnerung bewahrt.«
    Meine Augen wurden feucht, als ich ihr dankte. Mein Kopf schmerzte, und jede Kleinigkeit brachte mich zum Weinen.
    Kunio half ihr, den Stoff wieder einzurollen. Was das Muster denn darstellte, wollte er wissen.
    »Ach, irgendein Bild in meinem Kopf«, erwiderte Keiko heiter. »Wenn man sich darüber Gedanken macht, wird man auf dumme Art ehrgeizig. Und dann kommt nichts Gutes zustande, ne?«
    »Es sieht wie eine Schwertlilie aus«, sagte ich mit rauher Stimme. Sie warf mir einen raschen, funkelnden Blick zu.
    »Ach, finden Sie? Ja, vielleicht haben Sie recht. Es war im Mai, als ich diesen Stoff druckte. Da blühen die Schwertlilien in jedem Garten.«
    Wir schlüpften in unsere Turnschuhe. Draußen vor der Tür verbeugten wir uns vor der alten Dame. Sie erwiderte die Verbeugung, wieder ganz zurückhaltend. Der Wind heulte, und sie hielt ihre Strickjacke mit beiden Händen über der Brust zusammen. Seiji hatte sich nicht blicken lassen; doch als wir durch den Garten gingen, schaute ich kurz hinauf. Ich sah ein Gesicht am Fenster, das sofort wieder verschwand. Naomi sah es ebenfalls und preßte die Lippen zusammen. Sie begleitete uns bis zu dem Wagen und lächelte uns geistesabwesend an.
    »Danke fürs Mitnehmen.«
    Kunio sagte, was die Höflichkeit erforderte. Ich blickte Naomi an, und tiefer Schmerz ergriff mich. Das Sonnenlicht funkelte auf ihrem kastanienbraunen, kräftigen Haar. Sie stand vor mir, lebendig und warm, und schien gleichzeitig von mir wegzustreben. Ein leichter Schwindel erfaßte mich. Ich sagte:
    »Mach dir keine Sorgen um Seiji. Du wirst ihm schon gewachsen sein.«
    Sie blinzelte; ihre Augen waren gerötet.
    »Er sieht Keita immer ähnlicher«, sagte sie tonlos.
    Der Wind fegte glitzernd über die Straße. Mir war, als samm-le ich mit jedem Atemzug etwas ein, das ich nicht sehen konnte, etwas, das in der Luft lag. Ich kniff die Augen zusammen und blickte nach innen, auf der Suche nach einem Bild. Aber das Bild war verschwunden. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
    »Ein zu heißes Wetter ist das, ne?« seufzte Naomi.
    Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß sie vielleicht das gleiche fühlte wie ich, daß sie aber wenigstens nicht diesen schrecklichen Druck ums Herz fühlen konnte, der mich beben ließ. Ich öffnete die Augen wieder, sah sie mit aller Kraft an, bis zur Sinnlosigkeit. Ich dachte, ihren Duft werde ich nie vergessen. Und dann umarmten wir uns wortlos, und ich spürte ihren Herzschlag.
    »Kiotsukete – tragt Sorge füreinander!« sagte Naomi. Ihre Stimme klang müde und abwesend; sie blickte an mir vorbei ins Leere.
    Kunio verbeugte sich zum Abschied, setzte sich ans Steuer.
    Ich warf mein Haar aus dem Gesicht, ging auf den Wagen zu.
    Naomi hob die Hand, bewegte sie leicht hin und her, in der kindlichen Abschiedsgeste der Japanerinnen. Die Luft schien lautlos zu explodieren. Ich starrte auf diese Hand, auf die schmalen Finger, die rotlackierten Nägel. Der Anblick rief eine Erinnerung in mir wach – eine jener Erinnerungen, von denen man plötzlich weiß, daß sie kommen werden. Alle Kraft entzog sich mir. Rückwärts gehend tastete ich mich am Wagen entlang und stieg ein. Der Lärm der zugeschlagenen Tür schmerzte in meiner Brust. Kunio setzte den Wagen in Bewegung, wendete geschickt, fuhr die Straße entlang, talabwärts. Als ich mich umdrehte, sah ich Naomi an der gleichen Stelle stehen. Hoch über ihr schwebte die Autobahn, mit dem Leuchten ihrer hellen Zementmassen und ihrem fernen Getöse. Die Riesenpfeiler erhoben sich wie Tore und hielten die kleine Gestalt in Jeans und weißem T-Shirt in bedrückender Umarmung. Sie spannten eine Brücke zum Ungewissen, bevor sie über einen Punkt hinaus zu unsichtbaren Ufern schossen. Dann machte die Straße einen Bogen; das Bild entschwand meiner Sicht. Ich lehnte mich zurück, am ganzen Körper klamm.
    »Ich habe da etwas vergessen«, murmelte ich, »das mir gleich wieder einfallen wird.«
    Kunio sah mich an; eine ferne Besorgnis war in seinen Augen. Ich seufzte, rieb mir die Schläfen.
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Du bist müde«, sagte Kunio.
    Für ein paar Atemzüge schloß ich die Augen.
    »Ja, sehr.«
    Wir tauchten in die

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