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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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summte und verklang.
    »Jetzt!« flüsterte der Ranryô-ô.
    »Ich will nicht.«
    »O doch, du wirst schon wollen!«
    Die Frau bewegte zum zweiten Mal den Arm. Einen Augenblick lang hob sich ihr schattenloses Weiß hoch in der blenden-den Luft ab. Dann krachte der Schlegel auf die Scheibe. Der Schlag warf den Klang mit explosiver Wucht durch Holz und Beton, durch Staub und Erde, durch Fels und Gestein, bis hinab zu den finsteren Höhlen, wo Feuer und Wasser sich im urwelt-lichen Chaos bekämpften. Mein Schädel schien zu bersten, eine Sturmwoge schüttelte meinen Körper, als ob sich das Innere nach außen kehrte. Mein Mund füllte sich mit Speichel und Galle.
    »Jetzt, jetzt, jetzt!« brüllte der Ranryô-ô.
    Mein Fuß traf die Erde, und die Erde brach auf. Der Globus barst in einer Krampfwelle. Unter mir sackte der Boden ab, er schleuderte mich hoch, wie mit einem Hammerschlag. Jetzt gab es keine Musik im Hintergrund mehr, nur noch Tosen und Brausen und Splittern, das von allen Seiten kam. Da war auch kein Licht mehr, nur die Morgenröte. Im purpurnen Schein sah ich die Deckenlampe wie ein Pendel über meinem Kopf hin und her schwingen. Ein gespenstisches Grollen erfüllte die Luft, es schallte gleichzeitig vom Himmel herab und dröhnte aus den Tiefen der Erde. Die Wände ächzten und knirschten; wie in einem Alptraum schaukelte das ganze Haus langsam und mächtig hin und her. Eine Vase rollte über den Boden, Bücher fegten aus den Regalen, im Küchenschrank schepperten Tassen, Teller und Glas. Ich rang nach Luft, mein Trommelfell schien zu platzen.
    »Kunio!«
    Ich sah, wie er vergeblich versuchte, sich aufzurichten, immer wieder das Gleichgewicht verlor; eine blutende Schramme zog sich über seine Wange, dort, wo ihn eine Scherbe getroffen hatte. Wir lagen auf Händen und Knien, während die Erde sich schüttelte. Das dauerte. Das dauerte endlos. Das Getöse durchbohrte meinen Kopf wie heiße, schwarze Nadeln. Es war ein Schwanken und Schütteln und Vibrieren, wie auf einem Schiff bei Wellengang. Die Wogen zogen in endloser Prozession eine Bahn durch uns hindurch. Als sie verebbten, raffte Kunio sich hoch, kam schwankend auf die Beine. Ich wollte aufstehen.
    »Warte!« Kunio bedeutete mir, unten zu bleiben. Er drehte Gas, Klimaanlage und Lichtschalter ab, riß Fenster und Tür auf.
    Er hatte mir erklärt, daß bei geschlossenen Fenstern die Scheiben bersten, geschlossene Türen durch eine Verschiebung des Rahmens sich nicht mehr öffnen lassen. In meiner Benommenheit hörte ich, daß die Nachbarn ebenso handelten. Überall sprangen Türen auf, von draußen schallten Rufe und aufgeregte Stimmen. Das Heulen von Hunden klang gespenstisch durch die Straßen. Ich klebte vor Schweiß, bitterer Speichel füllte meinen Mund. Irgendwo klirrte Geschirr, dann Stille. Die Lampe hing an der Decke, fast wieder ruhig; nur ein ganz leichtes Zittern bewegte sie. Die Erde war wieder zur Ruhe gekommen. Still. Fest. Als ob nichts geschehen wäre. Noch immer raste das Herz in meiner Brust. Wir starrten uns an, keuchend, wie gelähmt, das Entsetzen noch immer in den Gliedern.
    »Es ist vorbei…«
    Kunios Stimme kam mir wunderbar hell vor. Der Wahn hatte seinen Griff um mich gelockert, Schwindel und Übelkeit waren verflogen. Ein seltsamer Friede erfüllte mich. Schwankend trat Kunio auf mich zu, ließ sich auf den Fersen nieder. Sekundenlang sprach keiner ein Wort. Dann fielen wir übereinander her wie die Wahnsinnigen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Wir küßten uns so heftig, daß unsere Zähne aneinanderschlugen. Wir zerrten uns die Yukata vom Leib und fielen auf den Futon zurück, aufgelöst, keuchend. Ich riß ihn an den Haaren zu mir herunter, krallte mich an seinen Schultern fest. Meine Lenden schnellten gleichzeitig mit den seinen hoch. Er drang in mich ein, so heftig, daß wir im gleichen Augenblick stöhnten; sein Gesicht preßte sich an meinen Hals, seine Brust duckte sich an meine, sein Herz raste. Mein Leib bäumte sich auf, warf sich ihm entgegen, während er sich warm und hart in mir bewegte. Ich leckte die Schweißtropfen von seinem Gesicht, schlang die Beine um seine Hüften, um ihn noch näher und enger zu spü-
    ren. Nur sein Stöhnen, dem meinen gleich, war in der Stille zu hören. Er stieg tiefer in mich hinein, ich zog mich zusammen, schmerzhaft eng, um ihn in mir festzuhalten. Als ob es das Leben selbst war, stark und warm, das wir nun in vollen Zügen spürten,

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