Seidentanz
Minuten später war er wieder da, geduscht und rasiert, aber immer noch ungekämmt. Der Toaster warf gerade geröstetes Brot aus. Ich legte eine Schnitte auf Kunios Teller, stellte Butter und Marmelade dazu, goß Milch auf die Cornflakes und brachte ihm das Tablett.
»Du kannst nicht mit leerem Magen unterrichten. Laß es dir schmecken.«
Er nahm mir das Tablett aus den Händen, stellte es auf den Tisch.
»Alles in der richtigen Reihenfolge!«
Er lehnte seine Stirn an meine. Ich schlang die Arme um seinen Hals. Meine Zunge drang in seinen Mund ein, der einen Nachgeschmack nach Zahncreme hatte. Seine Hand glitt in den Ausschnitt meiner Yukata, schloß sich sanft und schmeichelnd über meiner Brust. Die Spitzen richteten sich sofort auf, spannten sich, wie von Magneten angezogen. Ich keuchte leicht und erschauerte. Wir spürten die Wolke der Lust, die tief in unserem Körper begann, den Unterleib erfaßte, immer mächtiger und erregender wurde. Sein Haar fiel auf mein Gesicht, er öffnete meine Schärpe, indem er nur leicht an den Knoten zog und die Ärmel zurückschob. Das Gewand fiel auseinander. Ich schmiegte meinen Körper an seine Jeans, rieb meinen nackten Bauch an seiner Gürtelschnalle. Wir küßten uns, innig und stöhnend, bis er sich fast gewaltsam losriß und ich ihn anstarrte und lachte.
»So geht es nicht, Kunio!«
»Nein, so geht es nicht.«
Ich zog meine Yukata zu, knotete die Schärpe fest.
»Du solltest jetzt frühstücken. Es ist halb neun.«
Er stieß einen Zischlaut aus.
»Was hast du gesagt, Kunio?«
»Ich habe ›Scheiße‹ gesagt.«
»Du bereicherst meinen Wortschatz. Ich lerne gerade japanisch.«
Er schlürfte eilig seinen Kaffee, stopfte sich Cornflakes in den Mund.
»Mir ist noch nicht aufgefallen, daß du nicht japanisch sprichst.«
Ich strich Butter und Marmelade auf Kunios Toast.
»Wir haben also beide zu tun.«
»Ja, bis heute abend. Und dann haben wir einiges nachzuho-len.«
Ich hielt ihm den Toast hin, den er hastig verschlang. Seine Augen glitzerten im Sonnenlicht; sie waren nicht schwarz, sondern haselnußbraun, mandelförmig, mit sehr großen Pupillen. Dann sah er wieder auf die Uhr, schluckte den letzten Bissen Toast, trank hastig seine Tasse aus.
Ich begleitete ihn an die Tür. Ein letztes Mal riß er mich an sich. Wir küßten uns so heftig, daß unsere Zähne aneinanderschlugen. Dann wandte er sich ab; die Türfeder schlug hinter ihm zu. Ich sah nur noch flüchtig seinen Schatten und weg war er. Den Rucksack hatte er dagelassen.
Am Nachmittag machte ich mich auf den Weg zum Yasaka-Schrein. Ich wollte Naomis Onkel danken, daß er die Begegnung mit Mori-Sensei in die Wege geleitet hatte. In einem exklusiven Geschäft hatte ich einige besondere Teesorten gekauft; Japaner legen viel Wert auf elegante Verpackung. Die Schachtel, mit erlesenem Papier umwickelt und mit kunstvoll geknüpften Zierknoten versehen, entsprach den höchsten Ansprüchen. Ich fand Daisuke Kumano in einem kleinen Obst-und Gemüsegarten hinter seinem Haus. Er trug sein weißes Priestergewand, darüber eine marineblaue Hakama und Gummistiefel. Er kauerte unter einem Baum, stocherte mit einem Spaten herum und rupfte mit der freien Hand Unkraut aus dem Boden. Er schwitzte in der prallen Nachmittagssonne, seine glatte Haut schien wie mit Öl eingerieben. Der junge Priester, der mich in den Garten geführt hatte, verneigte sich und zog sich zurück. Ich ging auf den knienden Kannushi zu.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte ich höflich auf japanisch.
»Ich möchte mich bei Ihnen bedanken.«
»Oh, Ruth-San! Wie schön, dich zu sehen!«
Daisuke Kumano sah lebhaft auf, raffte seine Hakama zusammen und erhob sich. Seine kohleschwarzen Augen blinzelten kaum im Sonnenlicht. Hinter ihm ragte der Baum empor: Er sah aus wie ein Bruder, der den Priester beschützte.
»Nun, wie gefällt dir dein Leben in Japan?«
»Es läßt sich nicht mit irgend etwas vergleichen«, antwortete ich. »Man muß es erleben.«
Er blinzelte verschmitzt.
»An einem Tag gewöhnt man sich nicht daran. Aber morgen wirst du dich schon daran gewöhnt haben. Und an manche Dinge gewöhnt man sich schneller als an andere, ne?«
»So desu – es stimmt«, sagte ich auf japanisch.
Er nickte mit zufriedener Miene.
»Du hast Fortschritte gemacht. Deine Aussprache ist gut.«
Ich lachte. »Wäre ich ein Vogel, könnte ich die Gipfel über-fliegen. «
»Statt dessen krabbelst du wie eine Ameise und findest den Weg zu lang.« Seine
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