Seidentanz
bereits; sie durchlief mich wie frisches, warmes Blut. Sagon schnalzte mit der Zunge.
»Friedlich, Ruth?«
»Friedlich, ja.«
»Morgen trainieren wir weiter. Vielleicht kannst du deinen Körper dazu bringen, daß er dir nicht davonläuft.«
Der Priester und seine Frau gaben sich jetzt herzlich; ich stimmte in ihr Lachen ein, und in dem befreienden Ausbruch dieses Gelächters verwandelte sich die Welt wie ein Bühnenbild: Verdrossenheit und Schamgefühl lösten sich auf. Diese Sache, für die ich im Augenblick keine Erklärung hatte, sie bedrückte mich nicht mehr. Daisuke Kumano hatte mich nicht umsonst gewarnt, vorgefaßten Meinungen aus dem Weg zu gehen. Dieser Mann war wirklich ganz erstaunlich. Schluß jetzt! Ich würde es nicht mehr zulassen, daß mein Körper mich zum Narren hielt. Richtig angewendet, konnte ich diese Energie sogar nutzen. Dazu gehörte, daß ich mir eine Strategie ausdach-te. Ich war zäh und ehrgeizig und gab niemals auf. Das hatte Lea mir vererbt.
Unter den Bäumen leuchtete der Weg wie ein heller Pinselstrich. Feuchte Luft, von harzigen Gerüchen getränkt, kühlte angenehm meine erhitzten Wangen. Die Grillen zirpten, und der Wind wehte Fetzen von Rockmusik über die Mauer. Ich ging auf das grau schimmernde Portal zu, und da war er, saß neben dem Brunnen und hatte auf mich gewartet. Ein Gefühl von froher Leichtigkeit durchdrang die Dunkelheit um mich herum – jene Dunkelheit, die so dicht war, daß ich nur sein bläulich schimmerndes T-Shirt sah.
»Da bist du ja«, sagte ich.
Er stand auf, kam mir entgegen.
»Nun, wie war’s?«
Ich legte meine Hand in die seine.
»Entsetzlich!«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Ich lehnte das Gesicht an seine Schulter, spürte in mir den weichen Klang seiner Stimme. Am Morgen hatten wir uns getrennt. Der Tag war zerronnen wie eine Wolke, aber der Traum war geblieben; nun suchten sich unsere Hände in einem kommenden Traum. Wir erkannten uns mit frischen, neu erwachten Sinnen. Neu und bekannt, ja, so war es, und ungeheuer verheißungsvoll.
»Was möchtest du essen?« fragte er.
»Eigentlich nichts.«
»Auch nach dem Tanzen nicht?«
»Ich habe frische Erdbeeren.«
»Erdbeeren«, flüsterte er, »die mag ich sehr gerne.«
Wir gingen nebeneinander durch die klare Nacht, in der das Pflaster unter unseren Füßen seine Hitze ausströmte. Die Geschäfte waren geschlossen. Durch die lange, enge Straße fuhren vereinzelte Wagen vorbei; das Scheinwerferlicht blendete.
Unsere Schatten huschten über die Hauswände, dehnten sich aus, überholten uns.
»Ich war heute etwas konfus«, sagte er. »Ich konnte mich nicht konzentrieren.«
»Ich auch nicht. Es gibt solche Tage.«
»Weil wir zu wenig geschlafen haben?«
»Wir werden auch in dieser Nacht wenig schlafen.«
Wir stiegen die Treppe hinauf. Ich suchte mit zitternden Fingern den Schlüssel, verfehlte das Schloß. Der Schlüssel fiel auf den Boden. Kunio hob ihn auf, steckte ihn ins Schloß. Barfuß trat ich in die Mitte des Zimmers, hörte, wie er die Tür ab-schloß. Er streifte die Turnschuhe von den Füßen, legte von hinten beide Arme um mich und schob mein Trikot über die Schultern. Wir zogen uns aus, ohne ein Wort, warfen unsere Kleidungsstücke auf den Boden. Wir starrten uns an, über-schwemmt und mitgerissen von der Gewalt unserer Leidenschaft. Dann umschloß Kunio mit beiden Händen meine Taille, hob mich leicht empor. Mit einem einzigen Schwung kauerte er sich nieder und legte mich auf die Matte. Wir hielten einander umklammert, ich schlang die Beine um seinen Rücken; er drang sofort in mich ein, ohne Vorspiel, ohne Verzögerung: Wir wollten nur das eine und konnten keine Sekunde mehr warten. Es war eine Art zweifacher Schock, der uns schüttelte.
Sein Eindringen in mich entfachte ein Feuer, rührte im tiefen Inneren meines Körpers einen Tumult auf, aufsteigend, brennend und betörend. Ein tiefes Beben erfaßte mich, weil Kunios Bewegungen, vorwärts, rückwärts, sich genau den meinen anpaßten. Wir sprachen nicht, wir sahen uns nur an; ließen uns nicht aus den Augen. Seine Wärme war gefangen in mir, jetzt nahmen wir uns Zeit; das Feuer brannte niedrig. Wir beherrschten das Zittern unserer Hüften; ließen es in ein kaum spürbares Kreisen übergehen. Wir streichelten uns mit tastenden Gesten.
Sein Rücken war kräftig und geschmeidig, eine weiche lebendige Glätte, von inneren Vibrationen wie von Wellen durchflutet. Ich nahm seinen Nacken in beide Hände, er fühlte sich
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