Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
Vom Netzwerk:
lasse nicht locker:
    »Woher weißt du das?«
    »Weil ich ihm gefolgt bin . Weil ich ihn gesehen habe!«
    »Bull, wenn du mir hier irgendeinen Blödsinn auftischst .«
    »Ich erzähl dir keinen Scheiß, ich sage dir, ich hab ihn gesehen!«
    Und wenn es stimmt? Wenn er ihn tatsächlich kennt? Mit heiserer Stimme frage ich:
    »Wer ist es?«
    »Hast du mal 'ne Minute Zeit, Bo?«
    Verdammter Mist! Mossa steht vor uns. Bull trinkt sein Bier in einem Zug aus und steht auf. Mossa feixt:
    »He, was ist denn mit dir passiert? Bist du unter einen Bulldozer geraten?«
    Bull kapiert den Witz nicht, ruft mir ein »Ciao« zu und verschwindet. Er versteht sich nicht sonderlich mit Mossa, vor allem seit ihn dieser wegen der Vergewaltigung einer jungen Ausreißerin für zwei Jahre hinter Gitter gebracht hat.
    »Müssen Sie heute Abend nicht arbeiten?«, frage ich Mossa etwas nervös und beobachte dabei aus den Augenwinkeln, wie Bull das Lokal verlässt.
    »So ist es. Wir haben gerade eine Razzia im Bugsy gemacht.«
    Das Bugsy ist ein Swinger-Club, den es schon seit einer Ewigkeit gibt und in dem mit schöner Regelmäßigkeit einmal im Jahr eine Razzia gemacht wird - um zu zeigen, dass man die Sache nicht auf die leichte Schulter nimmt.
    »Hast du schon gehört, dass Derek gestorben ist?«
    Hat er deshalb mein Gespräch mit Bull unterbrochen? Ich will gerade ja sagen, als mir wieder einfällt, dass ich es ja gar nicht wissen kann.
    »Ach, tatsächlich? Wann denn?«
    »Heute Nachmittag, im Krankenhaus.«
    »Das ist wirklich Pech«, sage ich und frage mich, wohin Bull wohl gegangen ist.
    »Ja, das kann man wohl sagen. Doch besser so, als von  einem Lkw überrollt zu werden.«
    Seltsame Vorstellung. An so etwas habe ich noch nie gedacht. Von einem Lkw? Und warum nicht von einem Kühlschrank zerquetscht?
    Mit düsterer Miene steckt Mossa seine Schachtel Gitanes ein und meint:
    »Tja, wenn man gehen muss, dann muss man eben gehen.«
    Und ich, ich muss Bull auftreiben, damit er endlich mit der Sprache rausrückt. Ich verschwinde, ehe Linda hinter der Theke hervorkommen und mich ausfragen kann, was Mossa wollte.
    Von Bull weit und breit keine Spur. Ich steige die Treppe zu seiner Wohnung hinauf, klingle, klopfe, nichts. Ich gehe wieder.
    Ich klappere alle seine Lieblingsplätze ab, vom Tatoo-Laden bis zur Hundefriseuse über den Fitnessclub: Keiner hat ihn gesehen. Ich mache nicht einmal vor dem Sexshop Halt. Keppler, der Besitzer, erzählt mir, er habe eine neue Sendung von Dildos aus Hongkong bekommen, fantastische Dinger; er besteht darauf, sie mir zu zeigen. Es stimmt, sie sind von außergewöhnlich guter Qualität, und man könnte mit ihnen sogar einen Elefanten glücklich machen.
    »Sieh dir das an, das fühlt sich doch wirklich wie menschliche Haut an, und den hier, wenn du den drückst, wird er dicker, hast du gesehen, und die Vene fängt an zu pochen, fantastisch, oder?!«
    Ich sage: »Stimmt, echt toll«, und gehe. In der Straße, in der die Mädchen stehen, das Gleiche:
    keine Spur von Bull. Inzwischen ist es dunkel geworden. Der Schein der Straßenlaternen, leuchtende Schaufensterauslagen, Gehupe. Ein schneidender Wind fegt die Bürgersteige leer. Mir wird langsam kalt. Fettiges Papier flattert durch die Luft.
    Inzwischen bin ich in der Nähe der Landungsbrücken. Wo steckt er bloß? Eine hell erleuchtete Fähre läuft ein, dreimal ertönt das Signalhorn, ein tiefer Ton, der das Wasser aufzuwühlen scheint.
    Ich mache kehrt und bin schon bald wieder unten im Haus. Vielleicht ist Bull in der Zwischenzeit nach Hause gekommen oder bei Johnny. Ich mache die Tür auf und stoße fast mit einem ungefähr dreißig Jahre alten Asiaten zusammen.
    »Verzeihung .«
    »Entschuldigen Sie«, sagt der Mann, der dichtes schwarzes Haar hat, das zu einem Igelkopf geschnitten ist, »wohnt hier nicht Beaudoin Ancelin?«
    Bei mir schrillen sämtliche Alarmglocken, und das nicht nur, weil er wie ein Schrank gebaut ist.
    »Nein, der ist umgezogen«, sage ich mit unschuldiger Miene. »Weshalb fragen Sie?«
    »Eine private Angelegenheit«, erwidert er und weicht meinem Blick aus.
    Ich versuche, das Ganze überzeugend zu Ende zu bringen:
    »Wenn das so ist . Ich hätte ihm sonst etwas ausrichten können, aber wie Sie wollen …«
    Ich breite entschuldigend die Arme aus. Er seufzt, kratzt sich an der Wange, tritt von einem Fuß auf den anderen. Dann zuckt er die Schultern und geht. Ich unterdrücke den Wunsch, ihm nachzulaufen. Es gibt

Weitere Kostenlose Bücher