Sein anderes Gesicht
parkt mit blinkendem Blaulicht vor dem Eingang, sie schieben gerade eine Bahre in den Wagen, auf der eine Leiche in einem Plastiksack liegt. Die Polizei drängt die Schaulustigen zurück. Der Pastor spricht mit Farida, einer Nachbarin von Bull. Sie wirkt sehr aufgeregt und er sehr zornig. Neugierige Gaffer laufen zusammen.
Und dann entdecke ich Johnny. Er trägt keinen Anzug, sondern seinen alten Blouson und verwaschene Jeans. Er fährt mit der Hand durch sein Haar, und ich stelle mir vor, es wäre meine. Ich gehe zu ihm hin. Er steht etwas abseits der Menge und dreht sich um, noch bevor ich ihn angesprochen habe.
»Bull ist tot.«
Ich starre ihn mit weit aufgerissenen Augen an:
»Das ist nicht wahr!?«
»Farida hat ihn gefunden«, erzählt er mir. »Sie wollte sich ihre Khaled-CD zurückholen, die sie ihm geliehen hatte, und da lag Bull tot auf dem Küchenboden.«
»Wie ist er gestorben?« »Man weiß es noch nicht. Alles war blutüberströmt. Eine üble Sache.«
Ich ringe mir ein paar mitfühlende Worte ab. Niemand darf wissen, dass ich da gewesen war, als er starb. Und doch weiß es jemand: Der Typ, dem ich am Eingang begegnet bin!
»Die Polizei hat etwas im Ausguss gefunden«, fährt Johnny fort, die Augen starr auf den Krankenwagen gerichtet.
Mein Herz setzt für einen Moment aus.
»Was?«
»Einen Ring.«
Mein Herz setzt mehrere Schläge lang aus. Mein Ring! Ich Idiot hab ihn abgenommen, als ich mich gewaschen habe. Verflucht, wenn den jemand wieder erkennt . Mit tonloser Stimme frage ich:
»Wie sieht er denn aus?«
»So«, erwidert er und lässt den Ring in meine Hand gleiten. »Farida hat ihn entdeckt. Ich hab ihr gesagt, du hättest ihn Bull geliehen.«
Ich umschließe den Ring. Nun stehe ich in Faridas und Johnnys Schuld. Der Krankenwagen setzt sich in Bewegung und fährt den grobschlächtigen Bull zu Doktor Spinellis gepflegten Händen. Johnny sieht mich noch immer nicht an.
»Sag mir, Bo, warum hast du Bull umgebracht?«, murmelt er plötzlich.
Ich glaub, ich träume.
»Aber ich war's nicht!«
Johnny sieht mich mit seinen eisblauen Augen an.
»Ach nein? Hast du ihn nicht mit dem Baseballschläger zu Tode geprügelt? Du hattest doch schon gestern Abend damit angefangen, oder etwa nicht? Hast du den armen Trottel etwa so sehr gehasst?«
Ich habe das Gefühl, im Treibsand zu versinken, und protestiere:
»Ich hab dir doch gesagt, ich hab Bull nichts getan! Er interessiert mich nicht!«
»Wenn du es sagst .«
Er grinst hämisch und deutet mit einer Kopfbewegung auf den Pastor.
»Ist das einer von deinen Polizistenfreunden?«
»Nein, das ist Paul Luther von der Mordkommission. Er wird der Pastor genannt. Er leitet die Untersuchungen über den Mord an Maeva und den anderen.«
»Tja, offensichtlich sterben deine Freunde wie die Fliegen«, bemerkt Johnny sarkastisch.
Und heute Abend ist Bull an der Reihe gewesen. Es ist, als würde alles wie in einem Zeitraffer passieren. Ein tödliches Karussell, das alle, die mitfahren, ins Nirwana befördert.
Meine Finger streichen über den Ring mit dem Skarabäus.
»Wann hast du Farida gesehen?«
»Als ich nach Hause kam. Sie raste wie eine Irre aus Bulls Wohnung und stammelte, er sei tot. Da bin ich mit ihr nachsehen gegangen. Er hat geblutet wie ein Schwein, wenn du das gesehen hättest .«
Das habe ich leider wirklich viel zu lange ansehen müssen! Wenn ich nur daran denke, krampft sich mein Magen erneut zusammen. Doch vor allem überkommt mich ein dumpfes Gefühl von Unruhe und Gefahr. Wie kommt es, dass es bei jeder neuen Leiche durchaus plausible Gründe gibt, warum ich der Mörder gewesen sein könnte? Hast du ihn nicht mit dem Baseballschläger zu Tode geprügelt? Ich lege meinen gesunden Arm auf Johnnys Schulter, der wie von der Tarantel gestochen herumfährt.
»Du hast nicht das Recht, mich zu berühren, Bo. Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
»Warum hast du den Baseballschläger erwähnt?«
Er zuckt mit den Achseln.
»Es sind keine Wunden zu sehen. Und dann all das Blut, das ihm aus dem Mund gelaufen ist . Man könnte meinen, der Mann ist zu Tode geprügelt worden. Da habe ich an den Baseballschläger gedacht. Mit so einem Ding kannst du leicht jemandem die Leber zerschmettern.«
»Und du glaubst, dass ich zu so etwas imstande wäre? Ich, der kleine, verschreckte Schwule?«
Grinsend beugt er sich zu mir herüber.
»Aber wenn du willst, kannst du eine richtige kleine Wildkatze sein . Weißt du, Bo, ich glaube, ich kriege
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