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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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allmählich Angst vor dir«, raunt er mir zu.
    Ich stehe dicht neben ihm, atme seinen Geruch ein: den Duft seiner Haut und den seines After Shaves. Ich möchte mit meinen Nägeln über seine Wangen fahren. Ich möchte, dass er nicht aufhört, mit mir zu sprechen. Achtundvierzig Stunden zuvor lag er auf mir und hat mir das Handgelenk gebrochen. Und nun stehen wir auf der Straße und sprechen miteinander, während wir beobachten, wie der Krankenwagen Bulls leblosen Körper abtransportiert.
    Plötzlich überquert der Pastor die Straße und kommt direkt auf uns zu. Ich werde nicht davonlaufen, ich versuche, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen. Er bleibt vor uns stehen.
    »Na, Bo, was gibt's Neues?«
    Ich zucke mit meinen bezaubernden Schultern.
    »Nichts Besonderes.«
    Und mit dem Gefühl, dass sich derselbe schlechte Film wiederholt, zwinge ich mich zu der Frage:
    »Wer war das auf der Bahre?«
    »Jemand, den du kennst, Sebastien Cargese, genannt Bull«, antwortet der Pastor, wobei er in der Nase bohrt.
    »Ist er tot?«
    »Mausetot.«
    »Woran ist er gestorben?«
    »Das ist noch völlig unklar. Um das herauszukriegen, werden wir ihn aufmachen müssen.«
    Er wendet sich an Johnny und fragt ihn:
    »Sind Sie ein Freund unserer kleinen Bo?«
    »Nicht direkt«, erwidert Johnny ungerührt.
    »Ist auch besser so. Bo's Freunde werden nicht gerade alt!«
    Hyänenartiges Lachen.
    »Übrigens, du warst heute Nachmittag nicht zufällig im Krankenhaus?«, fährt er fort und nimmt sich das andere Nasenloch vor.
    »Ich bin kurz wegen meines Gipsverbands dort gewesen«, improvisiere ich und deute auf meinen frisch eingegipsten Arm.
    »Hm. Weißt du, dass Prysuski gestorben ist?«
    »Scheiße!«
    »Du sagst es.«
    Er macht wortlos auf dem Absatz kehrt und steigt mit Farida in das Polizeiauto, die jetzt sicher Stunden auf der  Polizeiwache zubringen wird.
    Johnnys Mund lächelt mich an, während seine Augen mich prüfend mustern.
    »Wer war das auf der Bahre?«, äfft er mich nach. »Weißt du, Bo, du kannst verdammt gut lügen.«
    Ich zucke die Schultern und werfe mein Haar zurück, weil ich weiß, dass ihn das nervt. Wortlos dreht er sich um und geht. Hopp-hopp-hopp, Bo, schnell dem bösen Johnny hinterher! Der böse Johnny steigt in sein Auto und lässt den Wagen an. Ich will mich gerade, wie gehabt, am Griff der Autotür fest klammern, als sich der übliche Ablauf auf einmal ändert: Er öffnet das Handschuhfach, holt seine Pistole raus und richtet den Lauf auf meinen Kopf.
    »Ich zähle bis drei«, sagt er mit ruhiger, fast höflicher Stimme.
    Die Leute gehen an uns vorbei, ohne etwas zu bemerken. Ich sehe dafür um so deutlicher die kleine schwarze Mündung, die genau zwischen meine Augen zielt. Johnnys starren Blick. Seinen Finger am Abzug. Wenn er glaubt, dass ich die verdammte Tür loslasse .
    »Eins .«
    Wird er abdrücken? Ja, ich glaube, er wird schießen. Die Detonation wird vom Lärm des Müllwagens übertönt werden, der in zehn Metern Entfernung vorbeifährt.
    »Zwei .«
    Kann er mich aus dieser Entfernung verfehlen? Unwahrscheinlich. Werde ich in der nächsten Sekunde sterben? Ich werde diese verflixte Tür um nichts auf der Welt loslassen.
    »Drei.«
    Klick.
    Verwundert sieht er auf die Waffe.
    »Mistding!«, sagt er und wirft sie urplötzlich nach mir.
    Reflexartig hebe ich den Arm, um mich zu schützen. Mit quietschenden Reifen fährt er davon. Der Revolver liegt im Wagen, und ich bin auf seinen Trick reingefallen.
    Und wozu das Ganze? Ich fühle mich leer. Nicht mal ein klitzekleiner Adrenalinstoß, der mir das Gefühl gibt, gerade noch mal dem Tod entronnen zu sein. Dafür hat sich alles viel zu schnell abgespielt. Das hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Ich mag es nicht, wenn andere leiden. Sie sind darin nicht so geübt wie ich. Sie haben nichts davon. Ich dagegen bin, wie man so schön sagt, ein Überlebender. Einer, der sich mühsam über Wasser hält.
    Ich gehe. Eine Gruppe Japaner schießt Fotos von den alten Häusern aus dem achtzehnten Jahrhundert. Der Asiate. Er hat mich gesehen, doch ich habe ihn auch gesehen. Er kam aus dem Haus. Und wenn er Bull zu Tode geprügelt hat? Jemand sucht mich. Trifft auf Bull. Wird nervös. Dazu müsste man wissen, was dieser Spinner ihm erzählt haben könnte. Ein Kerl, den jemand auf mich angesetzt hat? Nein, dann hätte er ein Foto von mir gehabt, mich wieder erkannt und gleich im Hauseingang umgelegt. Langsam drehe ich völlig durch. Trotzdem hat der Typ

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