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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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auf zu grübeln, Bo, sei konstruktiv! Jetzt weiß ich, an wen mich der Typ im Treppenhaus erinnert: an einen japanischen Killer aus einem Film von Kitano.
    Ein Polizeiauto bahnt sich mühsam einen Weg zwischen Passanten hindurch und hält auf dem Platz. Zwei Beamte in Uniform steigen, gefolgt vom Pastor, aus. Sieh an, sieh an. Seine Herrlichkeit bemüht sich höchstpersönlich an den Schauplatz des Verbrechens! Sie verschwinden alle in Johnnys Haus. Ein gut gekleideter Mann mittleren Alters setzt sich an den Tisch neben mir und wirft mir verstohlene Blicke zu. Als Laszlo erscheint, bestellt er einen Calva-dos. Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln. Schließlich fasst er sich ein Herz und fragt mich, ob ich etwas trinken möchte. Ich antworte so zuckersüß wie irgend möglich: »Einen Campari-Soda.« Laszlo bringt ihn mir mit ein paar Oliven und einem verschwörerischen Lächeln.
    Der Typ verwickelt mich in ein Gespräch. Er arbeitet in der Versicherungsbranche. Er ist gerade umgezogen. Vorher lebte er in der Normandie, jetzt hat er Schwierigkeiten, sich einzuleben. Er kennt hier noch niemanden und so weiter und so fort. Und ich, was ich denn so mache? Ich bin Kosmetikerin. Das sage ich immer, a) weil ich mich gut mit Kosmetika auskenne und b) weil kein Typ Lust hat, sich mit mir über dieses Thema zu unterhalten. Also absolut ungefährlich.
    Wir reden noch ein Weilchen, bis ich auf einmal Johnny ins Haus gehen sehe. Ich versuche, mich weiter auf das Gespräch zu konzentrieren, dann schlägt der Typ mir vor, mit ihm ins Kino zu gehen. Ende des Intermezzos, denn darauf habe ich keine Lust. Ich schiebe eine Verabredung vor. Er bedauert ein wenig, fünfundzwanzig Francs für meinen Campari hingeblättert zu haben, doch da er gut erzogen ist, insistiert er nicht weiter. Er lässt mir seine Karte da und geht. Jean-Michel Delage lese ich. Telefonnummer, Büroadresse. Wer weiß, vielleicht stattet ihm Elsa ja eines Tages einen Besuch ab .
    Türenschlagen. Die Bullen steigen in den Streifenwagen. Der Pastor bleibt zurück, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er hebt den Kopf, atmet den Rauch tief ein, lässt seinen Blick über den Platz schweifen und sieht mich. Er blinzelt kurz, dann kommt er langsam näher.
    »Ich hätte dich beinahe nicht erkannt«, meint er und stellt seinen Fuß auf den Stuhl neben mir.
    Ich antworte nicht.
    »Ich nehme an, du bist auf dem Laufenden«, fährt er fort. »Bull ist ermordet worden. Man hat ihn mit einem stumpfen Gegenstand zu Tode geprügelt. Da es in der Wohnung keinen Schürhaken gibt, tippe ich auf den Baseballschläger. War es seiner?«
    Ich nicke.
    »Du bist heute Abend nicht gerade gesprächig.«
    Ich antworte nicht.
    »Hast du vielleicht eine Idee, wer es gewesen sein könnte?«
    Ich spüre, dass er sich unbehaglich fühlt. Er hat mich noch nie in Frauenkleidern gesehen, beziehungsweise noch nie mit mir gesprochen, wenn ich als Frau unterwegs war. Es macht ihn sichtlich nervös.
    »Bull kannte jede Menge Leute, von denen ich nicht einmal den Namen weiß«, erkläre ich.
    Warum sage ich ihm nicht die Wahrheit? Warum sage ich ihm nicht, dass meiner Meinung nach eine Verbindung zwischen Bulls und Maevas Tod und den Morden an den Prostituierten besteht? Er inhaliert langsam, und der Rauch tritt durch seine Nasenlöcher aus. Er hat eine schöne Nase, die Habichtnase eines preußischen Aristokraten.
    »Der Kerl, der die Nutten umgebracht hat, wird damit so schnell nicht aufhören«, sagt er. »Ich rate dir, sei auf der Hut. Er könnte dich tatsächlich für eine Frau halten.«
    Soll das etwa ein Kompliment sein? Ich protestiere energisch: »He, ich arbeite nicht mehr!« und sehe Johnny aus dem Haus kommen und die Straße nach rechts hinuntergehen. Oh, ich muss ihm unbedingt nachgehen! Doch der Pastor rührt sich nicht vom Fleck, im Gegenteil, er beugt sich zu mir herab - Geruch nach Gitanes und Leder.
    »Hör mal, Ancelin, Mossa kann dich gut leiden, und ich vertraue Mossa. Für den Fall, dass du mir was sagen willst: Unter dieser Nummer kannst du mich Tag und Nacht erreichen.«
    Während ich noch dabei bin, die Nummer zu entziffern, die auf seiner Visitenkarte steht, ist er schon verschwunden. Tja, heute Abend bin ich offensichtlich sehr begehrt.
    Sobald das Auto außer Sichtweite ist, hefte ich mich an Johnnys Fersen. Vergeblich. Er kann in zehn verschiedene Richtungen verschwunden sein. Wutentbrannt trete ich gegen eine Mülltonne und brülle »Scheiße!«, woraufhin ein junges

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