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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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eigentlich ein? Willem haute mit der flachen Hand auf einen Zeitschriftenstapel.
    »Es ist mir damit verdammt ernst!«
    Pia zuckte zusammen.
    »Schon gut. Man wird ja noch mal scherzen dürfen.«
    Ganz kurz sah Willem so etwas wie Angst in Pias Augen aufleuchten. Dann hatte sie sich wieder gefangen.
    »Gut. Erzähl mir deinen verwegenen Plan. Du kannst mit meiner ungeteilten Aufmerksamkeit rechnen«, sagte sie gestelzt.
    Willem fing an. Er erzählte von Henry Hewitt und seinem Antiquitätenschmuggel und von seiner zufälligen Begegnung mit ihm und seiner Tochter im Holland Park. Davon, dass er Geld brauchte und warum er glaubte, dass Hewitt der richtige Mann wäre, um an dieses Geld zu kommen.
    »Und welche Rolle soll ich nun spielen? Soll ich dir deinen Hewitt verführen?«
    »Nein, darum geht es nicht.« Willem wurde wieder wütend, bemühte sich aber, die Wut zu unterdrücken. »Du sollst dich um das Kind kümmern. Und auch den Wagen fahren. Ich kann ja schlecht beides tun, mir das Kind schnappen, es ruhig halten und chauffieren.«
    Pia schien nachzudenken.
    »Wann sollen wir dein höheres Töchterchen entführen, und wo?«
    »Die Details müssen noch geklärt werden. Darüber konnte ich mir noch keine Gedanken machen.«
    Willem wusste, dass seine Antwort unbefriedigend war, fast lächerlich klang. Aber was sollte er anderes sagen? Er wusste selbst, dass es noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden gab. Er wollte sich nur ihrer grundsätzlichen Unterstützung vergewissern. Das würde alles Weitere vereinfachen.
    Pia richtete sich auf. Sie zögerte einen Augenblick.
    »Ich muss dir etwas sagen, Will. Ich mache mit. Aber nur unter der Bedingung, dass mein Freund auch mitmachen kann.«
    Willem war völlig überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.
    »Welcher Freund? Ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast.«
    »Er ist Russe, heißt Nikita, und wir sind seit zwei Monaten zusammen«, brachte Pia hervor, als müsse sie einer lästigen Pflicht genüge tun. »Wir wollen zusammen nach Spanien gehen. Und ich denke, es wäre nicht fair, wenn ich mit dir die Entführung tatsächlich durchziehen würde, ohne ihn zu beteiligen oder ohne ihm überhaupt etwas davon zu sagen.«
    »Weiß er, dass du im Club arbeitest?«
    Eine bessere Frage fiel Willem spontan nicht ein.
    »Nein. Ich habe ihm gesagt, ich würde in einem Table-Dance-Schuppen arbeiten. Daran hat er schon schwer zu schlucken. Den Club und – du weißt, was ich meine – würde er nicht verkraften.«
    »Aber über eine Entführung willst du ihn unbedingt einweihen, du willst ihn sogar beteiligen! Ich verstehe dich nicht.«
    »Das ist etwas anderes. Nikita liebt mich wirklich. Er würde sein Leben für mich geben.«
    »Das wird hoffentlich nicht nötig sein«, sagte Willem süffisant.
    »Vielleicht kann ich es dir nicht erklären. Aber für mich bleibt es dabei: entweder mit ihm zusammen oder gar nicht.«
    Willem verstand sie nicht oder wollte sie nicht verstehen. Er sah nur, dass es Pia ernst war, so ernst, dass er sie nicht umstimmen konnte.
    »Wenn es mit der Entführung tatsächlich klappen sollte, wird es in jedem Fall das Beste sein, dass ich London sofort verlasse. Was soll ich Nikita dann sagen? Wie soll ich ihm erklären, woher ich das Geld habe, um schon jetzt nach Spanien zurückzugehen?«
    Ihm fiel nichts ein, was er Pia noch entgegenhalten konnte.
    »Also gut. Wann kann ich mit Nikita reden?«
    »Zuerst rede ich mit ihm. Gib mir ein paar Tage Zeit. Ich melde mich bei dir.«
    Willem ahnte nichts Gutes. Nicht das Geld war seine Sorge, das nun durch drei geteilt werden müsste. Bei Dreien würden immer zwei gegen einen arbeiten. Das war seine Befürchtung. Und er wäre in dieser Verbindung der eine, gegen den sich die beiden anderen verbündeten. Er sagte Pia davon nichts. Er sagte ihr nur, er sei einverstanden. Ihm blieb nichts anderes übrig.

 
6
     
     
     
    Wie in den meisten Londoner Häusern gab es auch an Willems Haus weder Namensschilder noch Briefkästen. Der Postbote warf deshalb jeden Morgen seine Sendung einfach in den Hausflur, wo sich jeder Mieter das, was für ihn bestimmt war, heraussuchte. Willem bekam selten Post. Meistens nur Reklame oder Pressemitteilungen von irgendwelchen Verbänden und Institutionen, bei denen er immer noch als Journalist auf dem Verteiler stand. Dennoch schaute er jedes Mal, bevor er morgens das Haus verließ, aufmerksam den Wust von Umschlägen durch, der verstreut auf dem Boden lag, aus

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