Sein Anteil
in der Oxford Street zu bekommen. Was würde er sich gönnen? Er wollte sich seine Entscheidung reiflich überlegen.
Willem hatte schrecklichen Durst. Die Zunge klebte an seinem Gaumen. Er betrat das nächstbeste Pub, bestellte sich eine Flasche Corona und setzte sich nach draußen.
War sie es? Konnte sie es wirklich sein? Er glaubte, ein paar Tische weiter Catherine Deneuve sitzen zu sehen. Natürlich, sie war es. Kein Zweifel. Sie musste gekommen sein, als Willem an der Bar war. Sie sah genauso aus wie in ihren Filmen, wunderschön. Die Welt um sie herum müsste sich ihr aus Bewunderung widerstandslos ergeben. Er drehte sich um. War er der einzige, der Catherine Deneuve erkannte? Die Massen schoben sich achtlos weiter.
Sie wirkte angespannt, zog tief an einer Zigarette, deren Rauch ihre Lippen entließen, während sie zu ihrem Begleiter sprach. Offenbar waren beide nicht mit den Gepflogenheiten in englischen Pubs vertraut, wo man nicht am Tisch bedient wurde, sondern seine Getränke an der Bar abholen und gleich zahlen musste. Ihr Begleiter schaute sich suchend um, ging dann doch hinein und kehrte mit zwei Tassen Kaffee zurück. Willem hatte sich immer noch nicht beruhigt. Es war ganz sicher Catherine Deneuve. Aber sicher! Er hatte morgens in der Zeitung eine Notiz gelesen, dass sie als Ehrengast die Chelsea Flower Show eröffnen würde. Er hätte nie vermutet, sie in London ausgerechnet in der Oxford Street zu treffen. Irgendwo im vornehmen Knightsbridge, ja, aber nicht in der Oxford Street.
Er versuchte für sich die vielen Filme aufzuzählen, in denen er sie gesehen hatte. Unmöglich, sich an alle Titel zu erinnern. Er bemühte sich, möglichst diskret zu ihr hinüber zu schauen. Sie sah schön, aber unwirklich aus. Auch wenn Catherine Deneuve tatsächlich an dem Tisch dort saß, so schien es ihm doch, als sei sie nur vorübergehend aus einem Film getreten, in den sie bald zurückkehren würde.
Er trank sein Bier aus und ging weiter. Allmählich wurden die Geschäfte teurer und die Mädchen hübscher. Die Bond Street kündigte sich an.
Willem hatte immer noch keine Idee, was er sich auf Robins Kreditkarte leisten könnte. Hemd oder Jackett schienen ihm zu einfallslos, Schuhe ebenfalls nicht außergewöhnlich genug. Wenn, dann müssten es Maßschuhe sein. Die schönsten gab es bei »G. J. Cleverley & Co.«, einem entzückend altmodischen Geschäft in der Royal Arcade, nicht weit von hier.
Allein die Vorstellung, sein Leisten würde dort aufbewahrt, reizte ihn. Der Leisten sollte aber seinen Namen tragen, Willem de Breuk und nicht Robin Clarke. Es gab weitere Gründe, die gegen den Erwerb sprachen. Ein Paar würde sicherlich rund tausend Pfund kosten. Und er wusste nicht, bis zu welchem Betrag die Karte gedeckt war. Zudem könnte er wahrscheinlich die Schuhe erst in einigen Wochen abholen. Das war ihm zu umständlich, auch zu risikoreich.
Die Bond Street war vielleicht Londons eleganteste Einkaufsstraße. Er aber achtete mehr auf die todschick und sündhaft teuer gekleideten Frauen als auf die Auslagen. Denn die meisten Luxus-Geschäfte boten Juwelen oder Designermoden an, lauter Dinge, die Willem nicht wirklich interessierten. Er fühlte sich zum Shopping besser in der Jermyn Street aufgehoben, der exquisiten Herrenausstatter wegen, deren Sortiment mehr Willems klassisch-konservativem Geschmack entsprach.
Endlich hatte er eine Idee. Er ging bis zum Piccadilly, und dann, auf der anderen Seite, in die St. James’s Street. Die Nummer 54 war sein Ziel: »Swaine, Adeney, Brigg and Sons«. Er betrat den Laden, der in den Schaufenstern vor allem mit Reisegepäck lockte. Doch Willems Wunsch würde, wie er schon von weitem sah, im hinteren Teil des Lokals in Erfüllung gehen. Zu einer verführerischen Vielfalt aufgereiht, schienen sie nur darauf zu warten, von ihm herausgenommen, angefasst und ausgiebig geprüft zu werden: Schirme verschiedener Farbe, Größe und Hölzer. Einen Schirm, einen echten »Brigg«, wollte er zu Lasten von Robins Visa-Card erwerben. Das war sein sorgfältig überlegter Entschluss.
Wenn Willem sich für eine Kaufentscheidung Zeit nahm, dann nur, um auch den Dingen, die er nicht erstehen würde, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er legte sich stets früh fest, denn er war sich seines Geschmacks sicher. Nur der Form halber prüfte er deshalb auch andere Modelle, fühlte, wie sie in der Hand lagen, wie leicht ihr Mechanismus funktionierte und wie die Art ihrer Bespannung war. Dabei
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