Sein Anteil
einfach vor, allzu einfach, dachte er.
»Nun sag schon! Was können wir aus Hewitt rausholen? Du weißt doch über seine Vermögensverhältnisse Bescheid«, hakte Pia nach.
»Ich denke so zweihundert oder dreihundert Tausend Pfund«, sagte Willem.
Tatsächlich hatte er an einen wesentlich höheren Betrag gedacht. Aber er wollte Pia und Nikita die Entführung nicht allzu lohnend erscheinen lassen.
Die beiden schauten sich an.
»Das wären für jeden etwa einhunderttausend Pfund. Gar nicht schlecht! Toll!«
Nikita schien mit der Summe zufrieden zu sein, Pia aber nicht.
»Meinst du nicht mehr? Ich hatte an eine Million Pfund gedacht. Schließlich ist sie die einzige Tochter. Und Hewitt ist schwerreich.«
»Vielleicht«, sagte Willem.
Mehr fiel ihm nicht ein. Er stand immer noch unter Schock. Dass Pia und Nikita die Entführung quasi im Hopplahopp durchziehen wollten, hatte er noch nicht verarbeitet. Und ihre Entschlossenheit erschreckte ihn.
»Und noch eins«, sagte Pia. »Du musst Nikita noch das Mädchen zeigen. Nicht, dass er sich das falsche schnappt. Oder willst du es tun? Ich denke nicht. Du hattest die Idee und schon genug Arbeit. Später kannst du die Verhandlungen mit Hewitt führen. Und Nikita muss sich seinen Anteil erst verdienen.«
»Klar, mache ich. Am besten fahren wir bei Gelegenheit gemeinsam zum Holland Park und zur Schule. Dann zeige ich dir Patricia und auch Anne-Marie, ich meine die Frau von Hewitt«, sagte Willem zu Nikita. »Übrigens, deine Suppe ist ausgezeichnet.«
»Toll, dass sie dir schmeckt. Das ist Soljanka. Eine russische Spezialität.«
Nikita holte jedem noch eine Dose Bier.
Pia erzählte dann, dass sie und Nikita nach der Entführung London sofort verlassen wollten. Sie würden nach Spanien gehen und sich ein Hotel kaufen oder ein Haus, das sie zu einem Hotel umbauen würden.
»Nikita ist wirklich toll in solchen Sachen. Er kann einfach alles. Will, was wirst du tun, wenn alles vorbei ist?«
»Ich glaube nicht, dass es sich schon lohnt, darüber nachzudenken. Noch haben wir das Geld nicht. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.«
Willem verabschiedete sich gegen neun Uhr. Er wollte vermeiden, der dicken Amerikanerin und dem unausstehlichen Iren nochmals zu begegnen. Die anderen beiden, die im Hof herumgelungert hatten, waren schon seiner Erinnerung entschwunden. Er nahm den orangefarbenen Schnellhefter an sich, ließ nur die Abschrift von Hewitts Geschäftskarte mit der Privatnummer da und setzte sich, leicht angetrunken, in seinen Wagen. Wütend über sich, Pias und Nikitas Entschlossenheit nichts entgegengesetzt zu haben.
12
Die Sonne warf ihr letztes Licht über die Halle von Earl’s Court durch das kleine Fenster und bildete ein goldgelbes Dreieck auf dem fleckigen Teppichboden. Willem lief die viereinhalb mal dreieinhalb Meter seines Zimmers ab. Es war bereits sechs Uhr durch. Nikita hatte sich telefonisch angekündigt. Willem war nervös. Der Tag der Entführung rückte näher. Und die Leichtigkeit, mit der Nikita und Pia das Unternehmen angingen, beunruhigte ihn vor allem deshalb, weil er sich sagte, dass die beiden damit Recht haben könnten. Es könnte alles tatsächlich einfach ablaufen, ohne Komplikationen. Was war schon eine Entführung? Man nahm jemanden in Gewahrsam, hielt ihn ein paar Tage fest, handelte ein Lösegeld und die Übergabe aus. Das war alles. Zudem ging es nur um ein Kind. Und Hewitt würde nicht die Polizei einschalten. Ganz sicher nicht.
Welche Komplikationen könnte es also geben? Willem fielen nur Lächerlichkeiten ein, die er Pia und Nikita noch entgegenhalten könnte: das Auto, das nicht anspringt, ein Müllwagen, der die Straße versperrt, eine zufällige Zeugin, die Zeter und Mordio schreit. Er musste alles versuchen, die Entführung zu verhindern, Anne-Marie zuliebe, unbedingt.
Willem sah erneut auf die Uhr. Nikita verspätete sich. Gott sei Dank. Auch wenn Nikita bald auftauchen sollte, wäre es in jedem Fall zu spät, ihm das Mädchen zu zeigen. Anne-Marie verließ in der Regel mit ihrer Tochter gegen halb sechs den Holland Park.
Bislang war alles nur ein Spiel gewesen, Anne-Marie und Patricia im Park zu beobachten, dem Range Rover zur Schule zu folgen, in Hewitts Antiquitätengeschäft zu gehen. Jetzt wurde aus dem Spiel ernst. Er hatte Angst.
Es klingelte. Willem drückte auf den Türöffner. Er hörte Nikitas schwere Schritte auf der Treppe. Dann stand Nikita in ganzer Größe vor ihm, füllte mit seinen
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