Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
Vom Netzwerk:
ruckartig den Rückwärtsgang ein.
    »Was hast du vor, Nikita? Du kannst nicht rückwärts die Straße runterrasen.«
    »Komm! Wir schnappen uns jetzt die Kleine!«
    »Nein! Nein!«, schrie Willem und merkte, dass er Nikitas Arm fest umklammerte.
    Nikita bremste abrupt, sah Willem zornig an, die Lippen fest zusammengepresst. Seine Augen schienen noch tiefer zu liegen, sein Blick noch stechender als sonst. Mit einer Armbewegung machte er sich von Willem frei und versetzte ihm mit dem Ellbogen einen kurzen, aber heftigen Schlag gegen den Brustkorb. Willem konnte kaum atmen. Gierig rang er nach Luft und sah entsetzt zu Nikita hinüber.
    Doch Nikita setzte wieder den Wagen nach vorne in Bewegung, als ob nichts geschehen wäre. Er sagte kein Wort.
    »Entschuldigung! Aber wir können doch nicht einfach… Jetzt doch nicht! Noch nicht«, versuchte sich Willem mühsam zu erklären.
    »Das wäre unsere Chance gewesen, du Idiot. Ich hoffe für dich, dass das nicht unsere letzte Chance war«, schrie Nikita los.
    Willem wagte nichts zu sagen. Wieder schwiegen beide, während Nikita den Wagen durch den dichten Verkehr steuerte. Sein Kopf dröhnte, seine Brust schmerzte, aber er dachte an nichts. Er spürte nur, er hatte Angst, Angst vor Nikita.
    Erst als sie South Kensington erreichten, hatte er sich wieder gefangen.
    »Ich kann dir ja noch die Schule zeigen. Falls wir sie am Haus oder am Holland Park nicht zu fassen kriegen, können wir es vielleicht an der Schule versuchen«, sagte Willem in versöhnlichem Ton.
    Nikita antwortete nicht, bog aber Willems Anweisung folgend in die Clareville Street ein.
    »Dort ist die Schule.«
    Ohne anzuhalten, durchfuhr Nikita die Gasse und bog rechts Richtung Earl’s Court ab, um Willem zu Hause abzusetzen.
    »Kann ich dich noch auf ein Bier einladen?«
    Willem wollte nicht, dass sie in angespannter Stimmung auseinander gingen.
    »Das kannst du.«
    »Dann bieg hier links ab.«
    Willem dirigierte Nikita zur Fulham Road. Gleich gegenüber dem Krankenhaus lag das »Finch«, eins seiner bevorzugten Pubs in der Gegend. Nikita stellte den rostigen Lieferwagen in der nächsten Seitenstraße ab. Im »Finch« war nicht viel los. Es war eben Montagabend. Das war ihm nur recht. Er bestellte zwei Pints Lager.
    »Cheers!« Willem schaute zu Nikita auf. »Du bist mir doch nicht böse wegen der Sache im Auto?«
    »Schon vergessen«, sagte Nikita lächelnd. »Du hattest ganz Recht. Pia ist tanzen. Und was hätten wir mit der Kleinen die halbe Nacht machen sollen? Aber irgendwann müssen wir die Sache zu einem Ende bringen. Klar?«
    Willem nickte. Nikita gab ihm noch den Auftrag, am nächsten Abend am Haus der Hewitts vorbeizuschauen, ob Patricia wieder allein mit ihrem Golden Retriever spazieren ging.
    »Falls nicht, lassen wir uns etwas anderes einfallen. Aber es bleibt in jedem Fall bei nächstem Montag. Am Wochenende treffen wir uns wieder. Dann können wir die ganze Geschichte noch mal von A bis Z durchgehen.«
    Eine Woche also noch, dachte Willem. Hoffentlich Zeit genug, alles zu verhindern. Fast ohne ein Wort tranken sie ein zweites Bier.

 
13
     
     
     
    Auf dem mit Kies bestreuten Vorplatz stand nur der große BMW. Der Range Rover fehlte. Alle Vorhänge waren zugezogen. Nirgendwo brannte Licht. Das Haus schien verwaist. Willem drehte eine Runde über den Holland Walk, hinten am Haus vorbei. Dort derselbe Eindruck. Niemand war zu Hause. Er ging nochmals langsam durch Phillimore Gardens. Keine Veränderung. Er zwang sich, für zwanzig Minuten im Holland Park zu warten, unruhig hin und her wandernd. Dann ging er zurück. Wieder nichts. Die Hewitts waren verschwunden, ganz bestimmt. Sie waren sicherlich verreist. Und nicht nur für ein paar Tage. Vielleicht würden sie Wochen wegbleiben. In Willem keimte ein Funken Hoffnung. Vielleicht würde sich alles von selbst erledigen.
    Er konnte nicht bis daheim warten, Nikita zu sprechen. Er rief ihn von einer Telefonzelle aus an, um ihm seinen Bericht zu übermitteln. Nikita reagierte gelassen.
    »Versuch es morgen wieder. Hab noch einen schönen Abend!«
    Er legte auf. Willem war enttäuscht. Nun gut, er würde morgen wieder nach den Hewitts sehen. Und sicherlich würde er Nikita nichts anderes sagen können.
     
     
    Die Nachricht, die »Times« und »Daily Telegraph« mit fast gleich lautenden Überschriften in ihren Mittwochsausgaben brachten, ging Willem durch alle Glieder. »Hewitt ging Polizei im Kanal ins Netz« und »Polizei fischte Hewitt bei Dover

Weitere Kostenlose Bücher