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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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keine Zigaretten dabei? Nein. Wo könnte er welche bekommen? Kein Geschäft, kein Pub war weit und breit zu sehen, nur hässliche Mietskasernen aus den sechziger oder siebziger Jahren mit schmuddeligen Gardinen. Ein paar Kinder kamen von irgendwoher angelaufen, umringten Willem, schossen auf ihn mit Wasserpistolen.
    »Verschwindet, Bastarde! Ich sage, ihr sollt verschwinden!«
    Die Kinder schossen weiter. Sein neuer Hackett-Pullover war auf der Brust schon völlig durchnässt. Die Kinder lachten ihn nur aus und spritzen munter weiter los. Willem sprang auf. Er brüllte los.
    »Bastarde! Ich bringe euch um, wenn ich euch erwische!«
    Er streckte die Hand nach einem kleinen schmutzigen Mädchen aus, das ihm erschrocken, aber lachend auswich. Zu Willems Rettung kam ein Bus. Er hob die Hand. Der Bus hielt an. Willem stieg ein, ließ sich am Ende seiner Kräfte auf einen Sitz fallen. Die Kinder schossen gegen die Fensterscheibe. Aber er war in Sicherheit. Warum hatte er sich eigentlich so aufgeregt? Es konnte nichts mehr passieren. Hewitt war hinter Gittern, wiederholte er immer aufs Neue.
    Zu Hause stellte sich Willem unter die Dusche, ließ zwanzig Minuten lang heißes und kaltes Wasser über seinen bibbernden Körper laufen, legte sich dann auf die Couch. Nach einer Weile – er wusste nicht, wie lange er regungslos dagelegen hatte – zog er sich frische Sachen an, verließ wieder sein Appartement, diesmal Richtung Holland Park.
    Der dunkelblaue Range Rover stand an seinem gewohnten Platz, der BMW auf der Straße. Kaum dass Willem das Haus der Hewitts passiert hatte, kam Patricia mit dem Hund heraus, allein. Also ging sie doch jeden Abend in den Holland Park, ohne Hewitt oder Anne-Marie. Aber wem könnte das etwas nützen? Jetzt nicht mehr. Hewitt saß im Gefängnis. Sie müssten ihren Plan aufgeben. Das müssten Pia und Nikita begreifen.
    Die Zehn-Uhr-Abend-Nachrichten der BBC One blendeten ein Bild von Hewitt ein. Hatte er richtig gehört? Henry Hewitt ist wieder auf freiem Fuß? Er hörte den Sprecher nur noch sagen: »Es wurde eine Kaution von fünfhunderttausend Pfund festgesetzt.«
    Eine halbe Stunde später schaltete Willem auf die »Newsnight« von BBC Two um. Es wurde zur Gewissheit. Henry Hewitt war wieder frei. Seine cleveren Anwälte hatten es wieder einmal geschafft. Aufgrund eines Formfehlers musste die Staatsanwaltschaft ihn laufen lassen. Nur eine Nacht hatte Hewitt im Gefängnis verbringen müssen. Willem schenkte sich ein randvolles Glas Whisky ein. Aber er war zu erledigt, um entsetzt sein zu können, zu kraftlos, um wütend zu sein. Alles würde von neuem beginnen.
    Er musste mit Pia und Nikita reden. Es ging kein Weg mehr daran vorbei. Nikita hatte gesagt, er würde sich am Freitag melden. Am Wochenende wollten sie sich wieder sehen, das letzte Mal vor Montag, dem Tag der Entführung. Falls er Pia und Nikita nicht umstimmen könnte, würde er notfalls Anne-Marie warnen. Er hatte ja ihre Nummer. Er würde ihr sagen, dass jemand ihre Tochter entführen will, nicht er, sondern jemand anderes.
    Willem stellte sich sogar vor, sich selbst Anne-Marie zu offenbaren, ihr alles zu sagen, dass er daran gedacht habe, Patricia zu entführen, um Hewitt zu schaden, dass er aber seinen Plan aufgegeben habe, sobald er sie gesehen habe. Könnte es einen größeren Beweis seiner Liebe geben? Aber sie würde es nicht verstehen. Niemals.
     
     
    Der versprochene Anruf Nikitas blieb am Freitag aus. Sollten Pia und Nikita eingesehen haben, dass alles keinen Zweck hat? Dass sie eigentlich so etwas nicht tun konnten? Zumindest nicht dieses Kind? Nicht Anne-Maries Tochter?
    Willem rief bei Nikita an. Cathy war am Apparat, dieses Mal kurz angebunden.
    »Ich weiß nicht, wo Nikita ist. Er war letzte Nacht nicht zu Hause. Ich weiß auch nicht, wann er zurückkommt.«
    Willem versuchte es bei Pia, bei der sich nur wieder der verflixte Anrufbeantworter meldete. Er besprach ihn nicht.
     
     
    Am frühen Samstagmorgen riss das Telefon Willem aus dem Schlaf. Es war sechs Uhr früh.
    »Will? Komm sofort! Nikita ist schwer verletzt.«
    »Was?! – Nikita verletzt?!«
    »Hewitt hat auf ihn geschossen.«
    Bevor er einen Gedanken formulieren konnte, hatte Pia schon aufgelegt.

 
14
     
     
     
    Pias Stimme hatte heiser geklungen, als ob sie geweint hätte. Aber am Telefon hatte sie nicht geweint. Sie war aufgeregt gewesen, hatte sich aber beherrscht. Willem wollte sofort aufspringen. Er musste zu Pia. Sofort! Doch wie gelähmt blieb

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