Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
»ich glaube, Sie sollten sich besser anziehen.«
Sie gingen in das Schlafzimmer des Alten. Es war der kleinste Raum, den er bislang in dem Haus gesehen hatte, sogar noch kleiner als das daran angrenzende Bad.
»Du bist wirklich ein armseliger alter Sack, was?« Reeve hatte zu sich selbst gesprochen, aber Allerdyce hörte eine Frage.
»Darüber mache ich mir nie Gedanken«, sagte er. »Ebenso wenig über Einsamkeit. Hält man sich etwas aus dem Kopf, hält man es sich aus dem Herzen.«
»Und wie steht’s mit der Liebe?«
»Liebe? Als junger Mann habe ich geliebt. Es war sehr zeitraubend und nicht sonderlich produktiv.«
Reeve lächelte. »Den Schlips können Sie sich sparen, Mr. Allerdyce.«
Allerdyce hängte den Schlips wieder in den Schrank.
»Wie geht das Tor auf?«
»Elektronisch.«
»Wir gehen durch das Tor hinaus. Brauchen wir eine Fernbedienung?«
»Unten in der Schublade liegt eine.«
»Wo unten?«
»Im chinesischen Tisch neben der Haustür. In einer Schublade.«
»Schön. Binden Sie sich die Schuhe zu.«
Allerdyce war wie ein Kind. Er setzte sich aufs Bett und machte sich an den Schnürsenkeln seiner 500-Dollar-Schuhe zu schaffen.
»Okay? Lassen Sie sich ansehen. Sie sehen prima aus, gehen wir.«
Duhart war wie versprochen zurückgekommen. Das Auto stand draußen direkt vor dem Tor. Als die Torflügel aufschwangen und Reeve, in einer Aufmachung wie frisch aus einem Rambo-Film entsprungen, herauskam, während Allerdyce ihm wie ein Hündchen folgte, fiel dem Privatdetektiv die Kinnlade runter.
»Steigen Sie hinten ein, Mr. Allerdyce«, befahl Reeve.
»Herrjesus, Reeve! Sie können ihn doch nicht entführen! Was soll der Scheiß?«
Reeve setzte sich auf die Beifahrerseite. »Ich habe ihn nicht entführt. Mr. Allerdyce, würden Sie bitte meinem Freund erklären, dass Sie mich aus freien Stücken begleiten?«
»Aus freien Stücken«, murmelte Allerdyce.
Duhart sah noch immer wie ein Mann aus, der mitten in einem äußerst üblen Albtraum steckt. »Was zum Teufel hat der geschluckt, Mann?«
»Fahren Sie einfach«, sagte Reeve.
Reeve machte sich im Auto notdürftig sauber. Sie fuhren zu Duharts Apartment, wo er sich etwas gründlicher säuberte und frische Sachen anzog. Allerdyce saß auf einem Stuhl in dem wahrscheinlich kleinsten und unaufgeräumtesten Wohnzimmer, das er seit seiner Volljährigkeit betreten hatte. Duhart passte das alles ganz und gar nicht: Da hockte sein Idol, sein Gott, in seiner gottverdammten Wohnung – und Reeve schwor immer wieder, dass er sich hinterher an nichts erinnern würde.
»Holen Sie einfach das Zeug«, sagte Reeve.
Duhart kicherte nervös und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht.
»Holen Sie einfach das Zeug.« Allmählich wünschte sich Reeve, er hätte Duhart ebenfalls eine Dosis Birdy verabreicht.
»Okay«, sagte Duhart endlich, drehte sich an der Tür aber um und betrachtete noch einmal kurz die Szene: Reeve in seiner Touri-Kluft und den alten Allerdyce, der, die Hände auf den Knien, einfach so dasaß, wie eine Bauchrednerpuppe, die auf die Hand des Meisters wartet.
Während Duharts Abwesenheit stellte Reeve Allerdyce noch ein paar weitere Fragen und versuchte sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte. Allerdyce würde sich anschließend an nichts mehr erinnern, aber die zwei Wachmänner schon. Außerdem gab es den toten Hund, der schlecht zu erklären sein würde. Reeve nahm nicht an, dass Mr. Blue Öyster Cult von seinem kurzen Gespräch mit Allerdyce viel mitbekommen hatte. Sie würden also lediglich wissen, dass jemand eingedrungen war – eingedrungen war und irgendwas mit Allerdyce’ Kopf angestellt hatte. Und sie würden sich fragen, was er sonst noch angestellt haben mochte.
Nach einer knappen Stunde kam Duhart mit einem Schuhkarton zurück. Reeve öffnete ihn. In Watte gebettet lagen darin, wie die Eiersammlung eines Schuljungen, Abhörgeräte von unterschiedlicher Form, Größe und Reichweite.
»Und die funktionieren alle?«
»Das letzte Mal, als ich sie benutzt habe, ja«, sagte Duhart.
Reeve wühlte sich bis zum Boden des Schuhkartons durch. »Haben Sie auch die dazugehörigen Recorder?«
»Im Auto«, sagte Duhart. »Was ist jetzt also mit Dulwater?«
»Ich möchte, dass Sie ihn überwachen.«
Duhart schüttelte den Kopf. »In was bin ich hier eigentlich reingeraten?«
»Eddie, wenn Sie erst mal mit der Sache fertig sind, werden Sie so viel Dreck am Stecken unseres Kumpels hier dokumentiert haben,
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