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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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lediglich ein mieses Gefühl, ein Gefühl, als ob ihre Gedanken nicht ihre eigenen wären. Deswegen musste man die Dosis unbedingt richtig abschätzen, wollte man dem Verstand des Opfers keinen allzu großen Schaden zufügen.
    Es war nicht einfach eine Wahrheitsdroge, wie etwa Natriumpentothal – es war weit, weit besser.
    »Setzen Sie sich«, sagte Reeve zu Allerdyce. »Machen Sie es sich bequem. Ich schau mich nur ein bisschen um. Eine bestimmte Stelle, an der ich nachsehen sollte?«
    »Was?«
    »Bewahren Sie hier irgendwelche Akten auf? Irgendwas über mich oder meinen Bruder?«
    » Alle meine Akten sind hier.« Allerdyce sah nach wie vor verwirrt aus. Er runzelte die Stirn wie ein Patient einer geriatrischen Station, der mit seinen Kindern konfrontiert wird und sie nicht erkennt.
    »Können Sie mir zeigen, wo?«, fragte Reeve.
    »Natürlich.« Allerdyce stand wieder auf. Er war etwas wackelig auf den Beinen. Reeve hoffte, er hatte diesem alten Mann nicht gerade eine Überdosis Scopolamin verabreicht.
    Sie verließen das Zimmer und wandten sich nach links. Allerdyce steckte eine Hand in die Tasche seines Morgenmantels.
    »Was haben Sie da, Mr. Allerdyce?«
    »Einen Schlüssel.« Allerdyce blinzelte mit seinen feuchten gelben Augen. »Dieses Zimmer ist immer abgeschlossen.«
    »Okay, dann schließen Sie auf.« Reeve warf einen Blick über das Geländer. Die Eingangshalle unten war menschenleer und still. Mr. Blue Öyster Cult machte sich wahrscheinlich keine Sorgen. Er hatte gesehen, wie sein Arbeitgeber den Eindringling mit einem Revolver in Schach hielt. Vermutlich wartete er jetzt einfach – auf einen Schuss oder auf die Ankunft der Polizei.
    Allerdyce öffnete die Tür. Der Raum war eine Mischung aus Bibliothek und Arbeitszimmer. Es stand viel blankes neues Plastik herum – Fax, Kopierer, Aktenvernichter -, aber auch jede Menge antikes Holz und Leder. Der Schreibtischsessel war gigantisch, eher ein Thron als ein Sessel, und mit gestepptem rotem Leder bezogen. Es gab auch ein dazu passendes Sofa. Die Wände waren von oben bis unten mit Bücherregalen bedeckt. Manche der Regale waren verglast, und diese enthielten die am kostbarsten aussehenden Bücher. Aktenschränke gab es keine, wohl aber Akten.
    Jede Menge Akten.
    Zu Türmen gestapelt, die drohten, jeden Moment umzustürzen und den ganzen Fußboden mit losen Blättern zu bedecken. Manche der Türme lehnten mannshoch in Zimmerecken und erfüllten den Raum mit einem modrigen, staubigen Geruch. Weitere Akten lagen auf dem Sofa und davor auf dem Fußboden. Ältere Akten waren in große Pappkartons geräumt worden – einfache Kartons aus dem Supermarkt, die laut Aufdruck ursprünglich Chili-Bohnen, Geschirrspülmittel und Erdnüsse enthalten hatten.
    »Haben Sie noch nie was von Computern gehört, Mr. Allerdyce?«, sagte Reeve, während er sich umsah.
    »Ich traue Computern nicht. Mit den richtigen Kenntnissen kann man einen Computer selbst aus großer Entfernung anzapfen. Um das hier zu kriegen, müsste jemand schon ziemlich nah herankommen.«
    »Da haben Sie nicht Unrecht. Wo sind die fraglichen Akten?«
    »Ak- te , Singular. Sie liegt auf dem Schreibtisch. Ich hatte sie vorhin durchgeblättert, ein bisschen auf den aktuellen Stand gebracht.«
    »Warum setzen Sie sich nicht aufs Sofa, Mr. Allerdyce?«
    Aber da war kein Platz. Allerdyce starrte das Sofa wie ein Hündchen an, dem man einen undurchführbaren Befehl erteilt hat. Reeve räumte ein paar Akten beiseite, so dass Allerdyce sich setzen konnte. Dann setzte er sich seinerseits an den Schreibtisch.
    »Sie wissen von meinem Bruder?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Haben Ihre Leute ihn ermordet?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    »Es gibt keine Beweise dafür, dass er sich nicht das Leben genommen hätte.«
    »Glauben Sie mir, er wurde ermordet.«
    »Ich weiß nichts davon.«
    Reeve gab sich damit zufrieden. Er öffnete einen grauen Aktendeckel und begann, die handbeschriebenen Blätter einzeln herauszunehmen. Dazwischen lagen auch Fotos. »Aber Sie haben einen Verdacht?«
    »Natürlich.«
    »CWC?«
    »Es wäre denkbar.«
    »Oh, denkbar allemal. Wer ist Dulwater?«
    »Er arbeitet für mich.«
    »Warum haben Sie mich beschatten lassen?«
    »Ich wollte mehr über Sie wissen, Mr. Reeve.«
    »Warum?«
    »Um herauszufinden, worauf Kosigin aus war.«
    »Kosigin?«
    »Sie lesen gerade seine Akte.«
    Reeve hob eines der Fotos auf. Es zeigte einen sehr jung aussehenden Mann mit Nickelbrille und graumeliertem Haar. Er hielt das

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