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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zitterten, war auch Jay am Lachen. Der Drang wurde fast unkontrollierbar. Reeve atmete tief ein und langsam wieder aus. Die Patrouille entfernte sich im Geschwindschritt – und das war ganz und gar nicht lustig.
    Dann schlug die erste Rakete mehrere hundert Meter links von Reeve in den Boden ein. Die Erde bockte unter ihm, und sein Gesicht knallte in den Dreck.
    »Scheiße«, sagte Jay, ohne sich darum zu kümmern, wer ihn hören konnte. Ohne sich darum zu kümmern, weil er – ebenso gut wie Reeve – wusste, dass niemand da war, der ihn hätte hören können: Die Patrouillen hatten das Signal erhalten, das Gelände zu räumen.
    Eine zweite Rakete landete, diesmal weiter weg. Dann noch eine und noch eine. Schließlich flog eine Leuchtkugel hoch. Zwei scharfe Töne aus der Trillerpfeife. Reeve erriet, dass Patrouillen in das gerade bombardierte Gebiet geschickt wurden, damit sie nach Leichen oder fliehenden Überlebenden suchten.
    »Was meinst du?«, flüsterte Jay.
    »Liegen bleiben«, sagte Reeve. Es war ein ungewohntes Gefühl zu sprechen. »Eine Rakete kann uns genauso gut beim Rennen wie beim Stillliegen erwischen.«
    »Meinst du?« Jay klang nicht überzeugt. Reeve nickte und konzentrierte sich wieder aufs Beobachten. Er spürte Schweiß in der Vertiefung seiner Wirbelsäule, ein Rinnsal, das in Richtung Hosenbund kroch. Das Herz hämmerte ihm lauter denn je in den Ohren. Dann hörte er ein fernes Megafon, eine Stimme, die Englisch mit starkem spanischem Akzent sprach.
    »Ergebt euch, oder wir werden euch töten. Ihr habt zwei Minuten Bedenkzeit.«
    Die zwei Minuten vergingen allzu schnell. Reeve klappte den Schutzdeckel seiner Armbanduhr auf und folgte der Kreisbewegung des Leuchtzeigers.
    »Also gut«, sagte das Megafon. Dann ein weiterer einzelner Stoß in die Trillerpfeife. Reeve spürte, wie Jay versuchte, sich tiefer in die Kuhle einzugraben, sich mit aller Kraft an den Boden schmiegte.
    Raketen pfiffen links und rechts an ihnen vorbei und explodierten beim Aufprall mit ohrenbetäubendem Lärm. Große Klumpen Erde prasselten auf beide Männer nieder. Weitere Raketen, weitere eingeweideerschütternde Explosionen. Zwischen den einzelnen Einschlägen konnte Reeve lediglich ein lautes Summen in den Ohren hören. Er hatte es nicht geschafft, sie sich schnell genug zuzuhalten, und jetzt musste er die Folgen tragen. Er spürte, wie Finger an sein Bein klopften, und als er sich halb umdrehte, sah er, dass Jay sich aufgekniet hatte.
    »Runter!«, zischte Reeve.
    »Scheiß drauf, verschwinden wir!«
    »Nein.«
    »Ich sage, wir verschwinden.«
    »Nein. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren.«
    Die Leuchtkugel schoss in die Höhe, der Doppelpfiff ertönte, und Reeve zerrte Jay zu Boden. Jay fing an, sich zu wehren, so dass Reeve nur zwei Möglichkeiten blieben: ihn loslassen oder ihn schlagen. Jay nahm ihm die Entscheidung ab, indem er ihm den Gewehrkolben gegen die Schläfe schmetterte. Reeve schnappte nach dem Gewehr und musste zu dem Zweck Jay loslassen, worauf Jay aufsprang und Reeve das Gewehr aus den Händen riss.
    Reeve riskierte einen Blick in die Runde. Die Patrouillen mussten mittlerweile losmarschiert sein. Momentan waren sie von waagerecht treibenden Rauchschwaden umgeben, aber sobald sie sich lichteten, würden sie so sichtbar sein wie Blechenten in der Schießbude.
    Jay zielte mit seinem M16 auf Reeve, den Finger am Abzug. Mit dem geschwärzten Gesicht, den weit aufgerissenen, weißen Augen sah er aus wie ein grinsender Affe. Reeve bemerkte, dass der M203 Granatwerfer geladen war. Jay hob den Lauf des Gewehrs über Reeves Kopf und feuerte die Granate in den Himmel. Beim M203 gab es weder eine Explosion noch einen nennenswerten Rückstoß, nur einen lauten »Plopp«, wenn die Granate abgefeuert wurde.
    Reeve verschwendete keine kostbaren Sekunden, um die Flugbahn der Granate zu beobachten. Er sprang auf. Jay hatte es getan; er hatte dem Feind verraten, wo sie waren. Er hatte sie zum Abschuss freigegeben. Reeve ließ seinen Rucksack liegen. Es war ihm egal, ob Jay seinen zurückließ, ja selbst, ob er das Funkgerät liegenließ. Es war höchste Zeit zu verschwinden – und zwar schnell. Hinter ihnen schlug die Granate ein und explodierte.
    Geduckt, das Gewehr waagerecht vor sich haltend, rannte Reeve los.
    »Wo willst du hin?«, schrie ihm Jay nach, während er mit seinem M16 in die Richtung schoss, in der der Feind aller Wahrscheinlichkeit nach mit eingezogenem Kopf darauf wartete, dass ihm die

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