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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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genommen, als Sie sich überhaupt vorstellen können«, hatte Jay gesagt, obwohl er Edouard in Wirklichkeit schon den größten Teil der Rio-Grande-Geschichte erzählt hatte – nicht ohne sie ein bisschen auszuschmücken und aus Reeve eine längst verweste Leiche zu machen.
    Irgendwann hatte Edouard ihm einen Auftrag gegeben, der ihn in Kontakt mit einigen Amerikanern brachte. Die Amerikaner nahmen ihn mit nach Venezuela und von dort nach Jamaika, wo er beschloss, eine Weile zu bleiben, und dementsprechend an einen weiteren neuen Arbeitgeber weitergereicht wurde. Er lernte schnell – lernte, was seine Auftraggeber wollten und woran man erkannte, ob ein angebotenes Honorar eine Frechheit war oder nicht. Er blieb über ein Jahr lang in Jamaika und legte genügend Geld beiseite, um sich eine amerikanische Identität zu kaufen. Als ihn später das Heimweh packte, kaufte er sich auch einen britischen Pass, und jetzt besaß er zusätzlich auch noch einen kanadischen – alle auf unterschiedliche Namen eingetragen natürlich, und keiner auf seinen richtigen.
    Als die jamaikanische Polizei anfing, sich für eine Leiche ohne Kopf und Hände zu interessieren, die man aus einer Müllkippe am Stadtrand von Kingston gefischt hatte, verließ Jay, nicht ohne Bedauern, die Insel und machte sich auf in die USA; in Miami fühlte er sich gleich wie zu Hause. Herrjesus, was für ein Irrenhaus! In Miami merkte er, dass er anfing, wie ein Amerikaner zu sprechen – auch wenn die meisten Leute, mit denen er sprach, ihn weiterhin für einen Australier hielten. Jay baute seinen Betrieb auf, musste aber feststellen, dass es keineswegs einfach war, an Aufträge zu kommen. In Miami war alles organisiert, und größtenteils klanmäßig: Er war kein Kubaner, also wollten ihn die Kubaner nicht haben; er war kein Puertoricaner, also nahmen ihn die PRs nicht. Sie hatten ihre eigene Artillerie, und wenn sie mal zufällig doch Freischaffende brauchten, gab es auf der Straße hundert Kids, die unbedingt was beweisen wollten und nichts zu verlieren hatten.
    Jay setzte sich mit Edouard in Verbindung, der ihn seinerseits mit einem alten Freund bekannt machte. Edouard hatte Jay immer gut behandelt, und Jay hatte ihn gemocht. Es bestand etwas wie eine Wahlverwandtschaft zwischen ihnen – zwei Männern, die immer nur auf einen einzigen Namen hörten. Der einzige Auftrag, den Jay je abgelehnt hatte, war der Abschuss von Edouard gewesen.
    Edouards alter Freund holte Jay nach L.A. Der Mann hieß Fessler, und Jay hatte für Mr. Fessler – so musste man ihn nennen, Mr. Fessler; Jay hatte manchmal den Verdacht, dass selbst seine Frau ihn so nannte – drei Jahre lang gearbeitet, bevor er sich selbstständig machte. Das regelmäßige Einkommen war eine feine Sache, aber es juckte ihn, sein eigener Herr zu sein. Anfangs war es schwierig, aber nach den ersten paar Jobs lief es zunehmend besser. Ja, er verdiente bald so gut, dass er sich angewöhnte, sich ziemlich regelmäßig die Nase zu pudern – eine Gewohnheit, die er nur mit Hilfe großer Alkoholmengen wieder loswurde. Durch den Alkohol hatte er etwas zugenommen, und es war ihm selbst mit noch so viel Hantelstemmen nicht gelungen, die Pfunde wieder loszuwerden, aber er fand, dass er sie gut trug, und in einem weiten Anzug sah sie ja keiner, nicht wahr?
    LA-LA-Land, so nannte Jay Los Angeles. Er hatte das aus einem Buch, in dem es um Snuff Movies ging. Die Bezeichnung war bei ihm hängen geblieben, und er tat seither so, als wäre sie seine Erfindung – selbst Leuten gegenüber, die wussten, dass das nicht so war.
    Es gefiel ihm in LA-LA-Land. Es gefiel ihm, sein eigener Boss zu sein. Vor allen Dingen gefiel es ihm, für große Firmen zu arbeiten. Große Firmen zahlten gut und quatschten einem nicht rein. Sie wollten keine Einzelheiten wissen, fragten nie nach dem Wie – sie wollten nur, dass der Job erledigt wurde. Und sie zahlten bar auf die Kralle. Keine Mucken, keine Mätzchen und ein Mindestmaß an Papierkram. Jay firmierte als »Restrukturierungsberater«, und er hatte sogar Bücher zu dem Thema gelesen. Na ja, jedenfalls Artikel. Manchmal kaufte er auch das Wall Street Journal , und manche Teile von Time las er mit großem Interesse. Er hatte Papier mit Briefkopf und kannte einen Typ, der 1a detaillierte Rechnungen ausstellen konnte – sollte ein Auftraggeber wirklich mal eine haben wollen. Diese Wische waren wahre Kunstwerke, gespickt mit Wörtern wie »Arbeitsplatzprojektierungsanalyse« und

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