Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
an«, sagte er.
»Da wär ich nie drauf gekommen.« Reeve schwieg kurz. »Aber das ist das Boot, das ich haben will.«
Creech warf ihm einen Blick zu. »Jetzt?« Reeve nickte. »Kann das nicht warten, bis ich fertig bin?«
»Seh ich aus wie jemand, der warten kann?«
»Nein.« Er brauchte lange, um sich das Wort abzuringen. »Aber Sie wollen doch wohl nicht nachts raus?« Creech verstummte. »Nein, Moment, natürlich wollen Sie. Nachts besteht weniger Gefahr, dass man Sie sieht.«
»Kluges Kerlchen, Kenneth. Wie viele Polizisten sind in der Gegend?«
Creech spielte kurz mit dem Gedanken zu lügen, warf aber dann noch einmal einen Blick auf das Geld, das Reeve noch immer in der Hand hatte.
»Da, wo’s herkommt, ist noch mehr davon«, teilte Reeve ihm mit.
Creech leckte sich die schon speichelglänzenden Lippen. »Na ja, in Mallaig ist keiner«, sagte er, »aber wie man hört, sollen auf Skye ein paar unbekannte Gesichter aufgetaucht sein.«
»Sonst noch irgendwo?«
»Ach ja, gestern waren welche in Oban.«
»Und in Tarbert?«
»Da kann ich Ihnen nix zu sagen.«
»Und auf South Uist?«
»Na ja, die sind ein paarmal zu Ihrem Haus rausgefahren, so viel hab ich immerhin gehört. Zur Zeit, Gordon, sind Sie hier in der Gegend Gesprächsthema Nummer eins.«
»Ich habe nichts getan, Kenneth.«
»Keine Frage, keine Frage, aber in Glasgow hatte die Polizei so einen Spruch: Unschuldige werden nicht verhaftet. Wenn die einen erst geschnappt haben, dann tun die absolut alles, um einem auch irgendwas anhängen zu können – selbst wenn die einem dafür Beweismaterial unterschieben müssen.«
Reeve lächelte. »Klingt, als würden Sie aus Erfahrung sprechen.«
»Ich bin in meiner Jugend oft genug in Schwierigkeiten geraten. Vergessen Sie nicht, ich bin in Partick aufgewachsen. Die Polypen brauchten mich nur einmal anzusehen – ich weiß, dass ich keine Schönheit bin -, und schon haben die mich angehalten.« Creech spuckte ins Wasser.
»Also was ist, helfen Sie mir?«
Creech ließ sich die Frage durch den Kopf gehen. Seine Schultern entspannten sich. »Ach, vielleicht bin ich einfach zu sentimental«, sagte er. »Klar helfe ich Ihnen.«
Und er streckte die Hand nach dem Geld aus.
Reeve half ihm, das Boot wieder über das Wasser zu schieben und es dann niederzulassen; dabei schrappte es mit der Bordwand an den größeren Kahn und hinterließ Farbschlieren auf dem Holz. Creech ging sich vergewissern, dass die Tür des Bootshauses abgeschlossen war. Als er sich wieder umdrehte, stand Reeve, den Rücken zu ihm gewandt, an der Werkbank. Creech leckte sich wieder die Lippen, während er leise auf ihn zuging. Als Reeve sich umdrehte, schnappte Creech unwillkürlich nach Luft. Reeve hatte das größte Messer in der Hand, das Creech je gesehen hatte. Er hielt es in der Rechten, in der anderen Hand eine Rolle von Creechs bestem Reep.
»Was... was haben Sie vor?«, sagte Creech.
Reeve zeigte es ihm. Er schnitt vom dicken Seil – mit einer Leichtigkeit, als sei es ein Bindfaden – ein langes Ende ab und ließ dann den Rest auf den Boden fallen. »Ich werde Sie verschnüren«, erklärte er Creech.
»Gar nicht nötig, Gordon. Ich komm mit Ihnen mit.«
»Und Sie würden im Boot auf mich warten? Sie würden nicht beispielsweise, kaum dass ich an Land bin, zum Festland zurückrauschen und zum nächsten Telefon sprinten?«
»Nein«, sagte Creech. »Sie wissen, dass ich das nie tun würde.«
Doch Reeve schüttelte den Kopf. »Auf die Weise wissen wir beide, woran wir sind. Beziehungsweise in Ihrem Fall, gefesselt sind.«
Und dann musste sich Creech auf den Boden setzen, den Rücken an die Werkbank, und Reeve band ihm die Hände hinter dem Rücken an einem der stabilen Tischbeine fest. Zur Sicherheit schnitt er ein weiteres Stück Seil ab – »Das Zeug kostet ein Vermögen!«, protestierte Creech – und band auch Creechs Fußknöchel zusammen. Er spielte mit dem Gedanken, ihm zusätzlich noch einen Lappen in den Mund zu stopfen, aber schließlich ging es ihm nur darum, den Mann fluchtunfähig zu machen – mehr nicht. Er nahm nicht an, dass jemand während seiner Abwesenheit bei Creech vorbeischauen würde. Creech hatte keine Freunde, niemanden, der ihn vermissen würde; den größten Teil seiner Zeit verbrachte er im Bootshaus und hatte sogar eine Trennwand eingezogen, so dass er dort auch schlafen konnte. Reeve warf einen Blick in das »Schlafzimmer«, um sich zu vergewissern, dass es wirklich kein Telefon gab. Von
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