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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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außen hatte er keine Kabel gesehen, aber sicher war sicher. Er sah lediglich eine Matratze samt Steppdecke, eine Kerze, eine leere Whiskyflasche und ein Pornoheftchen.
    Beruhigt, holte er seine Reisetasche aus dem Auto und machte sich einsatzbereit: dunkle Klamotten, Sturmhaube und geschwärztes Gesicht. Creechs Gesichtsausdruck verriet ihm, dass er überzeugend aussah. Am wolkenlosen Himmel hing ein ordentliches Stück Mond. Er würde keine Probleme mit der Navigation haben; er kannte die Inseln und die gefährlichen Stellen ganz gut. Er konnte zwischen zwei Routen wählen: Die eine hätte ihn durch den Sound of Eriskay zur Westküste von South Uist geführt. Der Vorteil dieser Route bestand darin, dass er am Ende nur noch einen relativ kurzen Marsch von nicht viel mehr als drei Kilometern vor sich haben, dafür aber viel mehr Zeit im Boot verbringen würde, als wenn er die zweite Route wählte – über den Loch Eynort, einen tiefen Meeresarm an der Ostküste der Insel. Auf diese Weise würde er weiter, knapp zehn Kilometer, von Stoneybridge entfernt an Land gehen. Das würde bedeuten, mehr Zeit an Land zu verbringen, mehr Zeit, in der er entdeckt werden konnte. Und hinzu kam natürlich, dass er – sollte er zum Rückzug gezwungen sein – bis zum rettenden Boot eine weit längere Strecke zu laufen haben würde.
    Am Ende entschied er sich aber doch für den Loch Eynort. Wenn alles gutging, würde er durch die viel kürzere Überfahrt Stunden sparen. Er bezweifelte zwar, dass er auch so den Einsatz im Schutz der Dunkelheit würde abschließen können, aber je eher er aufbrach, desto besser standen seine Chancen. Er verstaute ein paar Ersatzkanister im Boot und nahm sich aus Creechs Vorrat das am besten erhaltene Ölzeug, dazu eine Stablampe und eine Leine zum Festmachen. Dann schnitt er sich ein Stück Schnur ab und knüpfte, jeweils einen Fingerbreit auseinander, ein Dutzend Knoten hinein.
    Schließlich ging er wieder zu Creech, der die ganze Zeit über seine schmerzenden Arme gejammert hatte. »Ich könnte jederzeit amputieren«, sagte er und zeigte Creech das Messer. Das stopfte ihm den Mund. »Wie wird das Wasser im Minch heute Nacht voraussichtlich sein?«
    »Kalt und nass.« Das Messer rückte ein Stück näher, und schon wurde Creech kooperativ und referierte die Wettervorhersage samt vorherrschenden Windrichtungen. Die Überfahrt würde zwar stürmisch werden, aber keineswegs lebensgefährlich. Natürlich konnte Creech gelogen haben, aber Reeve glaubte das nicht – es war in seinem eigenen Interesse, dass Reeve wohlbehalten zurückkam. Zum einen hätte er andernfalls ohne weiteres verhungern können, da es nicht so aussah, als ob sich häufiger als einmal die Woche jemand in die Nähe seines Hauses verirrte. Zum anderen liebte er seine Boote einfach zu sehr. Er würde nicht wollen, dass eines davon in einem Sturm kenterte und unterging – besonders nicht das eine mit dem teuren EU-Außenbordmotor.
    »Passen Sie auf das Schätzchen auf«, flehte Creech.
    »Schön, dass Sie sich so um mich sorgen«, sagte Reeve und stieg die Leiter hinunter ins Boot.
     
    Die Überfahrt war schlimmer als erwartet, aber das war typisch für den Little Minch: Man dachte, jetzt hätte er sich endlich ausgetobt, und dann legte er noch einen drauf. Reeve war froh, dass er durch keine der Meerengen musste; der Eriskay-Sund konnte ganz besonders übel werden. Er wunderte sich, dass noch kein Vergnügungspark auf die Idee gekommen war, ihn irgendwie nachzubauen: Eine Achterbahn war dagegen ein Kinderspiel. Kein Kinderspiel war es dagegen, die Pinne des Außenborders halbwegs ruhig zu halten. Das einzig Positive war, dass es nicht auch noch regnete. Trotzdem war er froh, dass er das Ölzeug anhatte, denn die Seen gingen erbarmungslos über ihn hinweg. Er hielt sich so lange wie möglich dicht an der Küste von Skye, bevor er sich in den eigentlichen Little Minch hineinwagte. Er hatte den direktesten Kurs gewählt und hoffte, die Küste von South Uist an der richtigen Stelle zu erreichen. Bei dem starken Wind – und dem kleinen Kompass, der seine einzige Navigationshilfe darstellte – konnte er ohne weiteres fünf, sechs Kilometer vom Kurs abgetrieben werden, was seinen anschließenden Marsch umso länger gemacht hätte.
    Er sah ein paar Boote, die mit eingeschalteten Warnfeuern anderen ihre Position signalisierten, aber ihn konnten sie nicht sehen – und ganz gewiss nicht hören. Er wechselte oft die Hand am Schubhebel, trotzdem

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