Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
Er hatte ganz bestimmt von allem Sicherungskopien gemacht und sie gut versteckt.
Jetzt wusste Reeve, was der Sinn des Passworts war. Er tippte »CWC« ein, aber es funktionierte nicht. Er versuchte es mit »Co-World«, dann mit »PrP«, dann mit »Prion« – alles ohne Erfolg. Er probierte »Killin« und »Preece« aus. Nichts.
Also probierte er es mit »Kosigin«.
Und plötzlich war er nicht mehr in Gumball Gulch. Die Programmleiste am unteren Bildrand verriet ihm, dass er die erste von achtundzwanzig Seiten las. Kleiner Schriftgrad, Jim hatte ganz schön viel reingepackt. Auch noch einzeiliger Abstand. Der erste Absatz war fett formatiert und direkt an ihn gerichtet:
Du darfst gleich weiterspielen, Gordon. Ich gehe davon aus, dass du es bist, der das hier liest, und wenn du das liest, dann bin ich höchstwahrscheinlich tot. Wenn ich tot bin und du das hier liest, dann hast du wahrscheinlich ein bisschen herumgeschnüffelt, und ich danke dir für deine Sorge. Das Folgende könnte vielleicht von Nutzen sein. Es läge mir sehr viel daran, dass es veröffentlicht wird. Eine französische Freundin von mir, Marie Villambard, könnte dir dabei behilflich sein, ich gebe dir am Ende ihre Adresse. Aber zuerst muss ich dir eine Geschichte erzählen...
Und was für eine Geschichte! Reeve kannte sie natürlich schon, aber Jim hatte mehr Material zusammengetragen, als irgendjemand geahnt hatte. Da war Preece’ Vorgeschichte, seine »revolutionäre« Sex-Schocktherapie, und die Details, die Alliance Investigative in Kosigins Auftrag dazu ausgegraben hatte. Dass Kosigin Preece erpresst hatte, war zwar anzunehmen gewesen, aber Jim bewies es jetzt durch Interviews, die er mit zwei ehemaligen – seinerzeit mit dem Fall befassten – Alliance-Ermittlern sowie mit früheren Mitgliedern des von Preece geleiteten Forschungsteams geführt hatte.
Zu denen auch ein Dr. Erik Korngold gehörte.
Jim hatte zwei sehr freundliche Gespräche mit Korngold geführt. Es war Korngold gewesen, der die Erpressung eingeräumt hatte. Preece hatte seinerzeit mit ihm darüber gesprochen. Dann aber war Dr. Korngold tot aufgefunden worden, was für Jim, sofern er keine anderweitige Bestätigung der Geschichte finden konnte, das Ende bedeutet hätte. Das einzige andere ehemalige Mitglied des Forschungsteams, das er kannte, war Dr. Killin. Also hatte er angefangen, Killin zu löchern, und Killin war zu Kosigin gelaufen.
Und Kosigin hatte entschieden, dass der Reporter aus dem Spiel genommen werden müsse.
Die Ergebnisse von Jims Recherchen waren beeindruckend – und furchterregend. Er listete Länder auf der ganzen Welt auf, in denen eine Zunahme neurologischer Erkrankungen zu verzeichnen war, und zeigte, dass diese Zunahme jedes Mal mit der Einführung von CWC-Herbiziden und -Pestiziden in der jeweiligen Landwirtschaft korrelierte. Es gab Ausschnitte aus Interviews mit Bauern und Ärzten, Experten für Agrochemie und Umweltschützern. Überall auf der Welt wurden die Bauern immer kränker. Der Stress, sagten die Skeptiker. Aber Jim hatte eine andere Erklärung gefunden. Und als die Polizei endlich doch anfing, sich für die Nebenwirkungen der Pestizide zu interessieren, suchte sich CWC einfach einen anderen Wirkungskreis aus und konzentrierte sich fortan auf Dritte-Welt-Länder.
Jim stellte eine Parallele zu Tabakkonzernen fest, die, als die westlichen Märkte infolge von Gesundheitswarnungen einbrachen, schlicht und einfach neue, arglose Märkte erschlossen – Afrika, Asien... CWC tat das Gleiche mit Chemikalien. Aber das war noch nicht alles: Im Verlauf seiner Recherchen hatte Jim Hinweise auf krumme Geschäfte gefunden, die der Einführung von Pestiziden in Länder der Dritten Welt den Weg ebneten. Es wurden Deals mit Regierungen, Regimes und Diktatoren gemacht, Geld floss auf Geheimkonten, und Importschranken lösten sich plötzlich in Luft auf. Jim deutete Verbindungen zwischen CWC und CIA an, da die CIA an einer Präsenz in Ländern interessiert war, die der Chemieriese »dem Westen« erschloss. Es war eine globale Verschwörung, die Regierungen, die wissenschaftliche Gemeinschaft und jeden Menschen auf der Welt, der essen musste, einschloss.
Jim hatte bei seinen Recherchen hart und schnell gearbeitet. Für seine Eile gab es einen einfachen Grund, und den nannte er gegen Ende des Textes: »Ich glaube, es gibt Leute, die zu töten bereit sind, damit das alles geheim bleibt, denn auch wenn Einzelheiten durchaus bekannt sind – mit
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