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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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…«
    »Verbrennen Sie sie.«
    »Selbstverständlich. Es gäbe auch ein paar Papiere zu unterzeichnen.«
    »Ich brauch nur eine Minute.«
    »Selbstverständlich. Das ist völlig natürlich.«
    Reeve drehte sich abrupt um. »Nein«, bellte er, »das ist absolut nicht natürlich, aber ich brauche diese Minute trotzdem. Okay?«
    Der Mann wurde noch blasser als seine Umgebung. »Also … äh, selbstverständlich.« Dann ging er zurück in den Besichtigungsraum und schien dort bis sechzig zu zählen, bevor er wieder herauskam; inzwischen hatte Reeve etwas von seiner Fassung zurückgewonnen. Der rosafarbene Nebel lichtete sich allmählich vor seinen Augen. Herrgott, und seine Tabletten waren in Schottland.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    »Völlig …« Der Mann verschluckte das Wort »natürlich« und hustete stattdessen. »Völlig verständlich. Wann möchten Sie, dass der Leichnam abgeholt wird?«
    Es war schon alles organisiert. Der Sarg würde in derselben Maschine wie Reeve nach Heathrow fliegen, dann weiter zur Familiengrabstelle in Schottland befördert werden. Es kam ihm alles so lachhaft vor – einen Bruder zu begraben, mit dessen sterblichen Überresten um die halbe Welt zu fliegen … Was hätte Jim davon gehalten? Plötzlich wusste Reeve ganz genau, was sein Bruder gewollt hätte.
    »Hören Sie«, sagte er im Vestibül, »wäre es irgendwie möglich, ihn hier zu begraben?«
    Der Bestatter blinzelte. »In La Jolla?«
    »Oder San Diego.«
    »Sie möchten die sterblichen Überreste nicht heimführen?«
    »Was heißt hier ›heim‹? Er hatte Schottland schon vor langem verlassen. Wo immer er gerade war, da war er daheim. Hier würde er sich genauso gut fühlen wie sonst wo.«
    »Nun ja, wir könnten mit Sicherheit … Erdbestattung oder Einäscherung?«
    Einäscherung: das läuternde Feuer. »Einäscherung wäre gut.«
    Also gingen sie ins Büro, um alles zu regeln, einschließlich der bislang angefallenen Kosten. Reeve bezahlte mit seiner Kreditkarte. Es gab Formulare zu unterschreiben, jede Menge Formulare. Ein Glockenton signalisierte, dass jemand hereingekommen war. Der Bestatter ging an die Tür seines Büros und schaute hinaus.
    »Ich bin in einer Minute bei Ihnen«, rief er. »Wenn Sie solange Platz nehmen möchten …«
    Dann kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und wurde schlagartig geschäftsmäßig. Als Erstes ließ er sich von Reeve die Flugnummer geben und stornierte die Frachtreservierung LAX-LHR. Er rief das Transportunternehmen in England an und erwischte noch jemanden im letzten Augenblick, bevor dort alle Feierabend machten, so dass er auch diesen Teil der Überführung canceln konnte. Um den Rest, sagte Reeve, würde er sich selbst kümmern, sobald er wieder in Schottland wäre. Der Leichenbestatter war es offenbar gewöhnt, solche oder vergleichbare Dinge erledigen zu müssen. Er lächelte noch einmal und nickte.
    Die Buchung der Einäscherung ging so reibungslos über die Bühne wie die Vereinbarung eines Zahnarzttermins. Wollte er die Asche in einer Urne ausgehändigt bekommen, oder sollte sie ausgestreut werden? Reeve sagte, sie solle in alle vier Winde verstreut werden, dahin fliegen, wohin sie wollte. Der Bestatter sah die Papiere noch ein letztes Mal prüfend durch, und das war’s dann.
    Kreditkarten erleichterten derlei finanzielle Transaktionen ungemein.
     
    Der Bestatter händigte ihm eine durchsichtige Plastiktüte aus – Jims »Hinterlassenschaften«.
    Sie gaben sich im Vestibül die Hand. Reeve konnte den neuen Kunden nirgendwo sehen, dann aber, gerade als er das Bestattungsinstitut verlassen wollte, öffnete sich die Doppeltür des Besichtigungsraums, und der Mann kam heraus.
    Er war obenrum, um Brust und Nacken, breit gebaut, während sich seine Beine zu bleistiftdünnen Knöcheln verjüngten. Ohne ihm die geringste Beachtung zu schenken, trat Reeve hinaus auf die Straße und schmiegte sich dann sofort neben der Tür an die Hauswand. Er schaute die Straße entlang, und da stand auch tatsächlich das grüne Auto, grade mal fünf Meter von ihm entfernt. Es war ein alter Buick. Reeve stand immer noch neben der Tür, als sechzig Sekunden später der Mann herauskam. Reeve griff sich eine Hand, verdrehte sie dem Mann hinter den Rücken und schob ihn dann den Bürgersteig entlang bis zum Auto, wo er ihn auf die Kühlerhaube knallte.
    Der Mann gab während des ganzen Vorgangs empörte Geräusche von sich, erst recht, als Reeve anfing, die Taschen seines Jacketts zu durchsuchen.

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