Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
Dann allerdings brachte er einige, von Schmerzlauten unterbrochene, verständliche Wörter hervor.
»Freund … sein Freund … von Jim … Ihrem Bruder.«
Reeve lockerte seinen Griff am verdrehten Arm etwas. »Was?«
»Ich war ein Freund Ihres Bruders«, sagte der Mann. »Ich heiß Eddie Cantona. Vielleicht hat er irgendwann mal von mir gesprochen.«
Reeve ließ die Hand des Mannes los. Eddie Cantona stemmte sich von der Kühlerhaube hoch, langsam, als versuche er, den – bei sich selbst und dem Wagen – entstandenen Schaden festzustellen.
»Woher wissen Sie, wer ich bin?«
Cantona drehte sich nach ihm um und fing an, an seinem Ellbogen und Handgelenk zu reiben. »Sie sehen ihm ähnlich«, sagte er schlicht.
»Was haben Sie gestern vor dem Hotel gemacht?«
»Sie haben mich gesehen, ja?« Cantona massierte weiter seinen Arm. »Ich würde ja wirklich einen prima Schnüffler abgeben …! Was ich da gemacht hab?« Er lehnte sich gegen den Kotflügel. »Das Gleiche wie Sie, nehm ich an. Versucht, aus der Sache schlau zu werden.«
»Und, Erfolg gehabt?«
Cantona schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, Fehlanzeige. Ich weiß nur eins, aber das verdammt sicher: Jim hat sich nicht umgebracht. Er ist ermordet worden.«
Reeve starrte den Unbekannten an, und Cantona erwiderte den Blick, ohne zu blinzeln.
»Ich mochte Ihren Bruder verdammt gern. Sobald ich Sie gesehen hab, wusste ich, wer Sie sind. Er hatte mir von Ihnen erzählt, hat gemeint, er wünschte, Sie beide hätten eine engere Beziehung. Er war zwar meist betrunken, wenn er redete, aber es heißt ja, Betrunkene sagen die Wahrheit.«
Die Worte sprudelten so heraus, als hätte er sie auswendig gelernt. Er war genau das, was Reeve brauchte – jemand, der Jim gegen Ende seines Lebens gekannt hatte, jemand, der ihm helfen könnte, das alles zu begreifen. Aber was hatte Cantona da gesagt …?
»Was bringt Sie auf den Gedanken«, fragte Reeve langsam, »dass mein Bruder ermordet wurde?«
»Weil er es gar nicht nötig gehabt hätte, ein Auto zu mieten«, sagte Eddie Cantona. »Ich war sein Fahrer.«
Sie setzten sich in eine Bar, zwei Blocks vom Bestattungsinstitut, und Reeve erzählte Cantona, was McCluskey ihm gesagt hatte: dass Selbstmörder gern einen sauberen Schlussstrich ziehen.
»Wenn er vorgehabt hatte, sich das Leben zu nehmen, liegt es nahe, dass er es nicht in Ihrem Wagen tun wollte.«
»Wie auch immer, ich weiß nur eins: Er hat sich nicht umgebracht.« Cantona kippte seinen zweiten José Cuervo Gold und spülte mit einem Schluck eiskaltem Bier nach.
Reeve hielt sich an ein Glas Orangensaft. »Haben Sie mit der Polizei gesprochen?«
»Klar, sobald ich in den Nachrichten davon gehört habe. Dieser Typ, mit dem Sie zusammen waren, McCluskey, hat so was wie eine Aussage von mir aufgenommen. Wenigstens hat er sich angehört, was ich zu sagen hatte. Dann meinte er, ich könnte gehen, und das war’s dann; ich hab von der Polizei seitdem nichts mehr gehört. Hab ein paar Mal versucht, ihn anzurufen, aber ich erwische ihn nie.«
»Hat mein Bruder Ihnen je gesagt, woran er gerade arbeitete?«
Cantona zuckte die mächtigen, runden Schultern. »Er hat über alles Mögliche geredet, aber darüber eigentlich kaum. Wenn er redete, war er normalerweise betrunken, was bedeutet, dass ich ebenfalls betrunken war – kann also sein, dass er über seine Arbeit geredet hat, und ich hab’s nur nicht mitgekriegt. Ich weiß nur, dass es was mit Chemie zu tun hatte.«
»Chemie?«
»Es gibt hier eine Firma, CWC, was für ›Co-World Chemicals‹ steht. Mit der hatte es was zu tun. Ich hab Jim mal zu’nem Typen rausgefahren, der da früher gearbeitet hatte, so’ne Art Wissenschaftler. Aber er wollte nichts sagen, hat Jim nicht mal ins Haus gelassen. Wo wir es das zweite Mal versucht haben, war der Typ gar nicht erst da. Im Urlaub oder sonst was.«
»Wo haben Sie ihn sonst noch überall hingefahren?«
»Tja, da gab’s noch so einen anderen Wissenschaftler, nur dass der nicht in Rente war. Aber geredet hat der auch nicht. Und dann hab ich ihn oft in die Stadt zur Bücherei gefahren, da hat er seine Recherchen gemacht. Sie wissen schon, sich Notizen gemacht und so.«
»Er hat sich Notizen gemacht?«
»Ja, Sir.«
»Sie haben also seine Notizbücher gesehen?«
Cantona schüttelte den Kopf. »So was hatte er nicht. Er hatte einen kleinen Computer, so einen Laptop, wissen Sie? Er steckte da so eine Diskette rein, und dann legte er los.«
Reeve nickte. Jetzt
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