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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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gerade ihr Frühstücksgeschirr. Er beschloss, einen Blick in die übrigen Zimmer zu werfen, aber als er einen Schritt zurück machte, gab eine Diele etwas nach und knarrte unter seinem Fuß. Die Frau drehte sich um, und ihre Blicke begegneten sich.
    Dann fing sie an zu schreien.
    Er stieß die Küchentür auf und hielt die Hände beschwichtigend vor sich in die Höhe.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe …«
    Sie hörte nicht zu. Sie hatte die Hände aus dem Wasser genommen und kam auf ihn zu. Schaum tropfte auf den Boden, als sie die rechte Hand hob, und er sah, dass sie ein Brotmesser hielt. Ihr Gesicht war nicht etwa bleich vor Angst, sondern zorngerötet, und ihre Schreie hätten durchaus den Lärm der Arbeiter draußen übertönen und Leute anlocken können.
    Er wartete darauf, dass sie zustach. Wenn sie angriff, würde er sich verteidigen. Aber sie war nicht so dumm. Sie hielt inne, fasste das Messer andersherum und verwandelte es dadurch von einer Hackwaffe in etwas, mit dem sie zustechen konnte.
    Als sie eine Sekunde lang zu schreien aufhörte, um Luft zu holen, sagte er, so schnell er konnte: »Ich bin Jims Bruder, Gordon Reeve. Wir sehen uns ähnlich. Ich wohne in Schottland. Ich bin Jims Bruder.« Er hielt den Schlüsselbund in die Höhe und schüttelte ihn. »Seine Schlüssel. Ich bin sein Bruder.« Und während er redete, behielt er zu gleichen Teilen sie und das Messer im Auge und ging rückwärts hinaus in den Flur, während sie weiter auf ihn zukam. Er hoffte, dass seine Worte zu ihr durchdrangen.
    »Sein Bruder?«, sagte sie endlich.
    Reeve nickte, ohne etwas zu sagen. Er wollte, dass sie das erst verarbeitete. Immer nur ein Gedanke auf einmal. Sie war vollgepumpt mit Adrenalin, und ihr Selbsterhaltungstrieb hatte die Regie übernommen. Angst hatte sie wahrscheinlich auch – aber sie wollte nicht, dass er das spürte. Und hinter all dem lauerte vermutlich der Schock und wartete nur auf seine Chance, bei dem Gefühlschaos mitzumischen.
    »Sein Bruder?«, wiederholte sie, als sei das eine Redewendung in einer Fremdsprache, die sie gerade erst angefangen hatte zu lernen.
    Er nickte noch einmal.
    »Warum haben Sie nicht geklingelt?«
    »Ich hatte nicht angenommen, dass jemand da sein würde.«
    »Warum haben Sie sich nicht bemerkbar gemacht? Sie haben sich angeschlichen, Sie haben mich belauert.« Sie geriet allmählich wieder in Wut.
    »Ich dachte, es wäre niemand in der Wohnung. Ich dachte, Sie wären ein Eindringling.«
    »Ich?« Das schien sie zu amüsieren, aber das Messer nahm sie nicht herunter. »Hat Jim es Ihnen nicht gesagt?«
    »Nein«, sagte er.
    »Sie wollen mir also erzählen, er hätte Ihnen die Hausschlüssel gegeben, Ihnen aber nicht gesagt, dass ich hier wohne?«
    Reeve schüttelte den Kopf. »Der Grund, warum ich hier bin«, sagte er leise und versuchte dabei abzuschätzen, welche Wirkung seine Worte auf sie haben würden, »ist, dass Jim tot ist. Er ist in San Diego gestorben. Ich komme gerade von seiner Beerdigung zurück.«
    Bei »San Diego« schien es bei ihr zu klingeln. »Was?«, sagte sie entsetzt.
    Er wiederholte nichts. Er hatte es jetzt mit Porzellan zu tun; mit bewaffnetem, aber dennoch zerbrechlichem Porzellan.
    »Ich gehe jetzt raus«, erklärte er ihr. »Ich setze mich draußen hin. Sie können die Polizei kommen lassen, oder Sie können meine Frau anrufen und sich von ihr bestätigen lassen, wer ich bin. Sie können tun, was Sie wollen. Ich warte draußen, okay?«
    Er war jetzt an der Tür angelangt. Ein gefährlicher Augenblick: Er würde sich halb von ihr abwenden müssen, um den Riegel zu öffnen, was ihr Gelegenheit zu einem Angriff geben würde. Aber sie stand einfach nur so da. Als er die Tür zuzog, sah sie aus wie eine furchtbare Statue.
    Er saß zehn Minuten im Hausflur. Dann öffnete sich die Tür, und sie schaute heraus. Ohne Messer jetzt.
    »Ich hab Tee gemacht«, sagte sie. »Sie kommen wohl am besten rein.«
     
    Sie hieß Fliss Hornby, und sie war eine ehemalige Kollegin von Jim – was bedeutete, dass sie noch immer für die Zeitung arbeitete, bei der er gekündigt hatte.
    »Er hat eigentlich gar nicht gekündigt«, erklärte sie Reeve. »Ich meine, er hatte schon gekündigt, aber dann hatte er es sich anders überlegt – bloß dann wollte Giles Gulliver seine Zustimmung zu Jims Kündigung nicht wieder zurücknehmen.«
    »Ich hatte einen Freund bei der Polizei, dem das Gleiche passiert ist«, sagte

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