Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
Speiseölskandal berichtet hatte. Ich erinnerte mich nur vage daran. 1981, Hunderte starben. Verunreinigtes Öl, war es das?
Und Marco sagte: »Vielleicht.«
Und dann hat er mir seine Ansicht über die Sache auseinanderklamüsert, und die deckte sich nicht so ganz mit der damaligen – und seither akzeptierten – offiziellen Erklärung . Denn laut Marco hatten einige der Leute, die gestorben waren, das Öl (Rapsöl war das – Memo an mich selbst: Kopien in der Bibliothek besorgen) überhaupt nicht angerührt. Sie hatten es nicht gekauft, hatten es nicht verwendet – ganz einfach. Woran waren die also gestorben? Marcos Idee – und das war gar nicht seine eigene Idee, die hatte er von Kollegen, die gleichfalls in der Sache recherchierten – lautete, dass es diese Dinger gewesen waren, die – wart mal, ich hab’s mir irgendwo aufgeschrieben – Herrgott, ich hab geschlagene zehn Minuten gebraucht, um das zu finden. Hätt gleich dran denken können, als Erstes auf die Zigarettenpackung zu gucken. OPs, so steht’s da. Die OPs waren schuld. Er hat mir auch gesagt, was das für Dinger sind, aber ich hab’s wieder vergessen. Muss es morgen nachschlagen.
»OPs«, sagte Reeve.
»Was?«
»Sind Ihnen die in dem Material, das Sie gelesen haben, untergekommen?«
Sie lächelte. »Tut mir leid, ich hab schon vor einer Weile aufgehört zu lesen. Ich kann nichts mehr aufnehmen.« Sie gähnte und streckte die Arme mit geballten Fäusten in die Höhe. Ihr Pullover spannte sich, wodurch die Wölbung ihrer Brüste deutlicher hervortrat.
»Mist!«, sagte Reeve plötzlich. »Ich muss mir ja noch ein Zimmer suchen.«
»Was?«
»Ein Hotelzimmer. Ich hatte nicht vor, so lange hierzubleiben.«
Sie schwieg kurz, bevor sie sprach. »Sie können schlafen, wo Sie sind. Das Sofa ist ganz bequem: Ich bin selbst schon ein paarmal darauf eingeschlafen. Ich schau mir nur noch die Spätnachrichten an, wenn es recht ist, seh mir an, was ich heute nicht mitbekommen habe und was ich morgen zu lesen bekommen werde, und dann lass ich Sie allein.«
Er starrte sie an.
»Ist schon in Ordnung, ehrlich«, sagte sie. »Von mir brauchen Sie nichts zu befürchten.«
Sie hatte blaue Augen. Das war ihm schon vorher aufgefallen, aber jetzt kamen sie ihm noch blauer vor. Und sie roch nicht nach Parfüm, sondern nur nach Seife.
»Den Rest können wir beim Frühstück lesen«, sagte sie und schaltete den Fernseher ein. »Ich brauch einen klaren Kopf, wenn ich auch nur die Hälfte von dem aufnehmen soll, was ich gerade lese. Bovine spongiforme Enzephalopathie: geht einem nicht gerade glatt von der Zunge, nicht? Und in den Kopf auch nicht. Die verdammten Eierköpfe weigern sich einfach, schlicht Rinderwahnsinn dazu zu sagen. Ich will bloß hoffen, die ganze Sache läuft nicht darauf hinaus: die Hamburger der Verdammten – und den Scheißer John Selwyn Gummer, der seiner armen Kleinen einen davon in den Hals schiebt. Erinnern Sie sich an das Foto?«
»Warum sagen Sie das?«
Fliss war ganz in die Fernsehsendung vertieft. »Warum sag ich was?«
»Dass Sie hoffen, es gehe hier nicht um die bovine Spongidingsbums.«
Sie warf ihm einen Blick zu. »Weil darüber schon ausgiebig berichtet worden ist, Gordon. Das sind uralte Kamellen. Außerdem jagen Schreckensmeldungen die Leser eher in die Flucht. Ihnen ist lieber, wenn sie nichts davon erfahren. Deswegen enden solche Storys ja schließlich auch im Guardian oder Private Eye . Schon mal was vom Recht der Öffentlichkeit auf Information gehört? Nun, die gute alte britische Öffentlichkeit hat ein weiteres unveräußerliches Recht: das Recht auf Uninformation , das Recht, nichts zu wissen, sich keine Sorgen machen zu müssen. Die Briten wollen eine billige Zeitung mit ein paar Comicstrips und witzigen Schlagzeilen und einem guten Fernsehteil. Sie wollen nichts von Krankheiten wissen, die ihr Fleisch zerfressen, nichts von Fleisch, das sie wahnsinnig macht, oder von Eiern, die sie in die Notaufnahme bringen können. Man erzählt ihnen, dass Fähren mit Bugklappen gefährlich sind, und trotzdem drängen sie sich jedes Wochenende hordenweise in solche Dinger und fahren rüber nach Calais, um sich mit billigem Bier volllaufen zu lassen.« Sie wandte sich wieder zu ihm. »Und wissen Sie, warum das so ist?«
»Warum?«
»Weil sie nicht glauben, dass der Blitz zweimal einschlägt. Dass jemand anders gestorben ist, macht es in ihren Augen umso unwahrscheinlicher, dass es sie erwischen könnte.« Sie wandte
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