Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
losen Enden, das wissen wir ja bereits. Jetzt hat er eins, und es wird sehr schnell immer länger.«
Allerdyce schwankte. Wenn er Kosigins Operation weiterhin im Auge behielt, konnten am Ende Informationen für ihn abfallen, die ihm genau die Macht über Kosigin schenken würden, um die es ihm ging. Andererseits konnte dies auch bedeuten, irgendwelchen mächtigen Behörden ins Gehege zu kommen. Allerdyce wusste nicht jedermanns Geheimnisse; es gab Dienststellen, mit denen er wahrscheinlich nicht fertigwerden konnte … Also was? Dranbleiben, oder Cal Waits’ Rat befolgen und sich zurückziehen? Allerdyce war schon immer ein vorsichtiger Mann gewesen – umsichtig in seinen geschäftlichen, klug in seinen privaten Entscheidungen. Er sah Cal am anderen Ende des Speisesaals am Tisch sitzen und sich mal wieder Wein nachschenken. Ein Schlachtross, furchtlos, unerschrocken.
»Bleiben Sie an der Sache dran, Dulwater.«
»Sir, bei allem Respekt, aber ich würde doch eher dazu raten …«
»Jungchen, maßen Sie sich nicht an, Jeffrey Allerdyce Ratschläge zu geben. Dazu sind Sie auf dem Brett noch nicht weit genug gekommen.«
»Brett, Sir?«
»Schachbrett. Sie sind noch immer ein einfacher Bauer, Dulwater. Auf dem Weg nach vorn, aber trotzdem nicht mehr als ein Bauer.«
»Ja, Sir.« Eine verletzte Pause. »Bauern sind nicht sehr flexibel, nicht wahr, Sir?«
»Sie marschieren einfach nur, Schritt für Schritt, stur weiter geradeaus.«
»Aber wenn sie weit genug kommen, können sie sich doch in wichtigere, mächtigere Figuren verwandeln, nicht wahr, Sir?«
Allerdyce hätte um ein Haar gelacht. »Sie bringen mich noch in Zugzwang, Jungchen. Mein Essen wartet.« Allerdyce legte den Hörer auf. Er fing an, Dulwater gar nicht mehr so widerlich zu finden.
Als er zum Tisch zurückkehrte, unterhielt sich Cal Waits angeregt mit einer langbeinigen Blondine, die kurz stehen geblieben war, um ihm hallo zu sagen. Sie stand vor der Nische, zum Senator hinuntergebeugt. Es war eine Körperhaltung, die Intimität suggerierte, einzig und allein zu dem Zweck eingenommen, dass die übrigen Restaurantgäste sie bemerkten. Diese Haltung sollte nicht Waits in Verlegenheit bringen, sie sollte sie selbst ins Rampenlicht stellen. Sie trug ein blaues Kostüm, das gerade tief genug ausgeschnitten war, um Waits einen guten Einblick zu gewähren.
Sie lächelte Allerdyce zu, als er sich nicht übermäßig sanft an ihr vorbeiquetschte und wieder Platz nahm. »Na, jetzt will ich Sie aber nicht mehr von Ihrem Essen abhalten, Cal. Bis dann.«
»Bis dann, Jeanette.« Als sie gegangen war, stieß er einen tiefen Seufzer aus.
»Was Süßes zum Abschluss, Cal?«, fragte Allerdyce.
»Solang’s kein Wackelpudding ist«, sagte Cal Waits und trank seinen Wein aus.
13
Reeve rief vom Fährterminal aus an. Es war entweder früher Morgen oder mitten in der Nacht, je nachdem, wie man sich fühlte. Er fühlte sich wie eine aufgewärmte Leiche, mit dem einzigen Unterschied, dass er fröstelte. Er wusste, dass die Uhrzeit für den Mann, den er anrief, keine Rolle spielen würde. Als er noch bei der Polizei war, hatte Tommy Halliday immer am liebsten die Nachtschicht übernommen. Er litt nicht etwa unter Schlaflosigkeit – er mochte es einfach lieber, wach zu sein, wenn alle anderen schliefen. Er sagte, das gebe ihm einen Kick. Dann quittierte er den Dienst, überlegte es sich anschließend noch einmal anders und musste feststellen, dass ihn die Truppe nicht wiederhaben wollte – genau das, was Jim bei der Zeitung passiert war. Vielleicht hatte man bei der Truppe von Hallidays Drogensucht erfahren; vielleicht waren Gerüchte über seine wilden Partys durchgesickert. Vielleicht war es auch nur um Personaleinsparungen gegangen. Wie auch immer – Halliday war draußen. Und was einst eine Form der Freizeitgestaltung gewesen war, wurde zu seiner Haupteinkommensquelle. Reeve wusste nicht, ob Halliday noch immer in großen Mengen dealte, aber er wusste, dass er Qualität lieferte. Viele Army-Typen – Wochenendkrieger und Söldner in spe – kauften bei ihm. Sie wollten leistungssteigernde Mittel und Sachen, von denen sie wach und konzentriert blieben. Dann brauchten sie was zum Runterkommen für die üble Zeit danach, die manchmal so übel war, dass sie wieder ein paar Aufputschpillchen brauchten …
Reeve hatte mit Drogen nicht viel im Sinn. Aber er wusste, dass Tommy Halliday vielleicht etwas hatte, das ihm von Nutzen sein könnte.
Das Telefon klingelte eine
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