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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ganze Weile, aber das war normal; jeder, der Tommy kannte, wusste, dass er es endlos klingeln ließ. Auf die Weise redete er am Schluss nur mit Leuten, die ihn kannten … und vielleicht ein paar dermaßen verzweifelten Fällen, die das Telefon von sich aus endlos klingeln ließen.
    »Ja.« Die Stimme klang gleichzeitig hellwach und relaxt.
    »Gordie hier.« Tommys Kunden benutzten am Telefon immer nur Vor- oder Spitznamen, für den Fall dass die Drogenfahndung gerade mithörte.
    »Hey, Gordie, lang her.« Es klang so, als würde sich Halliday eine Zigarette anstecken. »Kennst du einen gewissen Waxie? War mal bei einem deiner langen Wochenenden dabei.«
    Henry Waxman. »Ich erinner mich«, sagte Reeve. Das war typisch für Halliday. Man rief ihn von einer Telefonzelle aus an, um ihn um einen Gefallen zu bitten, und verbrauchte die Hälfte des Geldes dafür, sich seine Geschichten anzuhören. Durch die Fenster des Terminals sah Reeve einen natriumorange leuchtenden, schmutzigen Himmel, ein stürmischer Wind schüttelte die wenigen mutigen Möwen da oben gehörig durcheinander.
    »Wir sind ziemlich gute Freunde geworden«, sagte Halliday. Was bedeutete, dass Waxman mittlerweile ein ernsthafter Konsument geworden war. Es war eine Warnung. Halliday teilte Reeve mit, dass Waxman möglicherweise nicht mehr so verlässlich wie früher war. Halliday nahm irrtümlicherweise an, Gordon Reeve bilde Söldner aus. Reeve hatte keinen Versuch unternommen, dieses Missverständnis aufzuklären; die Vorstellung schien den Dealer zu beeindrucken.
    »Entschuldige, dass ich so früh anrufe. Oder sollte ich besser ›spät‹ sagen?«
    »Hey, du kennst mich. Ich schlafe nie. Ich schau mir grad Hexenkessel an und versuch rauszukriegen, was daran so toll sein soll. Sieht aus wie ein Amateurfilm. Ich weiß nicht …« Er verstummte kurz, als er einen tiefen Zug aus seiner Zigarette nahm, und Reeve nutzte die Chance.
    »Tommy, ich bräuchte deine Hilfe: Ich suche Birdy.«
    »Birdy?«
    »Kannst du ein Treffen einrichten?«
    »Tja, also, ich hab ihn schon seit einer ganzen Weile nicht gesehen …« Das war auch Teil des Theaters für die Drogenfahnder. Birdy war kein Mensch. Birdy war etwas ganz Besonderes, etwas sehr Seltenes.
    »Ich hätte was für ihn.« Im Klartext: Ich kann zahlen, was immer es kostet.
    »Ich weiß nicht, wie gesagt, er hat sich in letzter Zeit nicht oft blicken lassen. Ist es dringend?«
    »Nein, ich bin jetzt ein paar Tage weg. Vielleicht melde ich mich wieder, wenn ich zurück bin.«
    »Tu das. Ich seh in der Zwischenzeit, ob er mir nicht zufällig über den Weg läuft, hör mich vielleicht ein bisschen um. Okay, Gordie?«
    »Danke.«
    »Kein Problem, und hey, tu mir einen Gefallen. Leih dir Hexenkessel aus, und erklär mir, was daran so toll sein soll.«
    »Ist in drei Worten gesagt, Tommy.«
    »Was?« In einem Ton, als ob ihm die Frage wirklich auf der Seele läge.
    »De Niro und Keitel.«
     
    Während der Überfahrt schlief er eine Dreiviertelstunde. Als die Fähre Calais erreichte und die Passagiere aufgefordert wurden, zu ihren Fahrzeugen zurückzukehren, spülte Reeve mit dem Rest seines starken schwarzen Kaffees ein paar Koffeintabletten hinunter. An Bord hatte er eine Kassette gekauft – einen Hardrock-Sampler – und etwas Geld gewechselt. Die Fähre war fast leer. Die Laster durften als Erste von Bord, aber keine fünf Minuten, nachdem er zu seinem Wagen zurückgekehrt war, hatte er schon französischen Boden unter den Reifen. Kurz vor Dover hatte er in einer Tankstelle einen Scheinwerfer-Umrüstsatz gekauft, so dass er auf dem Kontinent entgegenkommende Fahrzeuge nicht blenden würde. Der Rechtsverkehr als solcher hatte ihm auch in den Staaten keine Probleme bereitet. Er hatte sich die wichtigsten Punkte der Route notiert, so dass er nicht gezwungen sein würde, ständig in den Straßenatlas zu schauen, den er ebenfalls im Tankstellenshop gekauft hatte.
    Er fuhr in Richtung Paris mit der Absicht, einen der äußeren Autobahnringe zu erwischen, landete aber dann auf dem Boulevard périphérique , dem inneren Ring. Er kam sich vor wie in einem der übleren Kreise von Dantes Hölle; er dankte nur dem Herrgott, dass alle in dieselbe Richtung fuhren. Autos schossen von beiden Seiten auf die Autobahn und verließen sie auch wieder genauso. Sie wechselten ohne Vorwarnung von einer auf die andere und wieder eine andere Spur, offenbar auf die Vorsehung oder irgendeinen eingebauten Schutzengel vertrauend. Es war

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