Sein Bruder Kain
zu zögern, sprang er, und als er in dem Boot landete, schaukelte es so heftig hin und her, daß es beinahe gekentert wäre. Der Constable an den Rudern fluchte leise. Der Sergeant packte ihn rauh und drückte ihn auf die Planken, so daß sich das Boot wieder stabilisieren und Fahrt aufnehmen konnte.
»Hinterher!« rief der Sergeant überflüssigerweise.
Sie saßen schweigend da, Monk immer noch halb in sich zusammengesunken. Der Constable legte sich für einige Züge mit all seinem Gewicht in die Riemen, so daß das Boot kurz gierte und hüpfte, dann aber in ein gleichmäßiges Tempo verfiel und Fahrt zulegte.
Es war jetzt fast völlig dunkel. Es war Spätnachmittag, und der bewölkte Himmel verschlang auch noch den letzten Rest von Licht. Der sich über den Fluß ausbreitende Nebel verzerrte alles. Man hörte den schaurigen Klang von Nebelhörnern. Die Lichter eines Klippers tauchten auf, schemenhaft schob sich ein düsteres Rigg wie eine Reihe gigantischer Bäume an ihnen vorbei. Im Kielwasser des Seglers wurden sie grob durchgerüttelt.
»Wo steckt der Bastard?« stieß der Sergeant zwischen den Zähnen hervor, während er angestrengt in die Finsternis spähte.
»Ich kriege dieses Schwein, und wenn es das letzte ist, was ich tue!«
»Bugsby's Sümpfe«, antwortete Monk, der seine Beine streckte, um sich ordentlich hinsetzen zu können. »Ich wette, er fährt flußabwärts.«
»Warum?«
»Er muß wissen, daß wir Männer in Greenwich haben und Leute, die uns verraten würden, wo er hingegangen ist. Aber er kennt sich in den Sümpfen aus, wir nicht. Wenn er erst am Ufer ist, werden wir ihn niemals kriegen, schon gar nicht in der Dunkelheit.«
Der Sergeant fluchte.
Der Constable legte sich noch kräftiger in die Riemen, seine Rückenmuskeln spannten sich, und auf seinen Händen zeigten sich die ersten Blasen. Das Boot schoß durch die sich dunkel dahinwälzende Flut.
Das Ufer ragte vor ihnen auf, bevor sie damit gerechnet hatten. Es waren keine Lichter zu sehen, nur Schlamm, der den letzten Rest von Tageslicht schluckte. Und das einzige Geräusch, das sie hörten, war das leise Wispern des ansteigenden Wassers im Schilf. Monk kroch vorwärts und sprang ans Ufer, wo er sogleich bis zu den Waden im Sumpf steckte. Es kostete ihn überraschend viel Mühe, sich aus seinem eiskalten, saugenden Griff zu befreien.
Aber zwanzig Meter weiter flußabwärts entdeckte er auf einem weniger morastigen Abschnitt des Ufers eine andere Gestalt und die schwarzen Umrisse eines Bootes, das sich vom Ufer entfernte, als hätte es den Teufel persönlich dort abgesetzt und wäre nur noch von dem einen Gedanken beseelt, seine Rettung in der Flucht zu suchen.
Der Constable war hinter ihm an Land gesprungen und verfluchte den Sumpf. Gemeinsam stapften sie durch den morastigen Grund festerem Boden entgegen und mühten sich mit der Verfolgung Calebs ab, der bereits zu rennen versuchte.
Niemand verausgabte sich mit überflüssigem Rufen. Die Männer rannten wortlos durch den immer dichter werdenden Nebel. Der Sergeant bildete das Schlußlicht, verbissen und wild entschlossen; er lief ein wenig landeinwärts und trieb Caleb auf die Landspitze zu, um ihm den Rückweg nach Greenwich abzuschneiden.
Es waren noch einmal fünfzehn Minuten erschöpfender Verfolgungsjagd notwendig, bevor sie Caleb endlich mit dem Rücken zum Fluß in die Enge getrieben hatten, so daß ihm nichts mehr übrigblieb als aufzugeben.
Er hob seine behandschuhten Hände hoch über den Kopf. Sein Gesicht war in der Dunkelheit nicht mehr zu sehen, aber Monk konnte sich, als er seine Stimme hörte, vorstellen, welchen Ausdruck es gezeigt hatte.
»Also schön! Holt mich!« brüllte er. »Bringt mich in euren schäbigen, kleinen Gerichtssaal zu eurer Farce von einer Gerichtsverhandlung! Wessen wollt ihr mich anklagen? Es gibt keine Leiche! Keine Leiche!« Und mit diesen Worten warf er den Kopf in den Nacken und brach in höhnisches Gelächter aus. Es hallte über das dunkle Wasser und wurde schließlich vom Nebel verschluckt. »Ihr werdet niemals eine Leiche finden - ihr Narren!«
8
Der Sergeant zögerte nicht einen Augenblick, Caleb wegen des Mordes an Angus Stonefield festzunehmen. Als jedoch der Anwalt der Krone mit dem Fall betraut wurde, trat das ganze Ausmaß der Schwierigkeiten zutage. Er hatte sich mit den Beweisen, die ihm vorlagen, befaßt und schickte dann mitten am Tag nach Oliver Rathbone.
»Nun?« fragte er, als Rathbone sich mit den Einzelheiten
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