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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nichts anderes da ist, aber Brandy wäre besser gewesen.«
    Rathbone reichte ihr das Wasserglas, das Ravensbrook abgelehnt hatte. Monk griff in Ravensbrooks Jackentasche und fand eine flache, silberne, mit einer Gravur verzierte Flasche, öffnete sie und stellte sie in Hesters Reichweite.
    Schweigend sahen die Männer ihr bei der Arbeit zu, wie sie das Blut zuerst mit Lappen von dem rauhen Hemd des Wärters entfernte und die Verletzungen dann mit ein wenig Brandy säuberte. Der Alkohol schien in den Wunden zu brennen, denn Ravensbrook entrang sich ein unwillkürlicher Fluch, er biß die Zähne zusammen und schluckte vor Schmerz.
    Aber selbst Monk konnte sehen, daß die Wunden nicht tief waren, eher Schnitte und Risse als wirkliche Stichwunden.
    Als die Wunden versorgt waren, verband Hester die Verletzungen mit Bandagen, die beinahe zur Gänze von Rathbones feinem ägyptischem Baumwollhemd stammten, das sie mit großer Hingabe und beträchtlicher Geschicklichkeit und, wie Monk glaubte, einem gewissen Maß an Befriedigung in Streifen riß. Er warf Rathbone einen Blick zu und sah ihn zusammenzucken, als der Stoff riß.
    »Vielen Dank«, sagte Ravensbrook steif, als sie fertig war.
    »Ich bin Ihnen sehr verpflichtet, Miss Latterly. Sie sind äußerst tüchtig. Wo ist meine Frau?«
    »In ihrer Droschke, Mylord«, erwiderte sie. »Ich denke doch, daß sie mittlerweile zu Hause sein wird. Ich habe mir die Freiheit genommen, dem Kutscher Anweisung zu geben, sie heimzubringen. Sie hätte krank werden können, wenn sie bei dieser Kälte noch länger hätte warten müssen. Ich bin sicher, man wird Ihnen sofort einen Hansom besorgen können.«
    »Ja«, sagte er nach einem kurzen Moment. »Natürlich.« Er sah Rathbone an. »Wenn Sie mich brauchen, können Sie mich in meinem Haus finden. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, was es noch zu tun oder zu sagen gäbe. Ich nehme an, der Richter wird veranlassen, was immer er für nötig hält, und damit ist die Sache dann wohl zu Ende. Guten Tag noch, die Herren.« Er stand auf und ging sehr aufrecht, wenn auch mit einem leichten Taumeln, auf die Tür zu. »Oh.« Er drehte sich um und sah Rathbone an. »Ich nehme an, daß ich die Freiheit haben werde, ihm ein ordentliches Begräbnis zu geben? Schließlich ist er nicht schuldig gesprochen worden, und ich bin sein einziger Verwandter.« Er schluckte gequält.
    »Ich sehe keinen Grund, was dagegen spräche«, meinte Rathbone, der plötzlich den gewaltigen Verlust nachempfinden konnte, den dieser Mann gerade erlitten hatte, einen Verlust, der tiefer ging als bei einem gewöhnlichen Todesfall. »Ich werde mich um die Formalitäten kümmern, wenn Sie wünschen, Mylord.«
    »Tja. Tja, vielen Dank«, erwiderte Ravensbrook. »Guten Tag.« Er ging durch die Tür. Jetzt, da sie nicht länger verschlossen war, schwang sie hinter ihm wieder auf.
    Hester schaute zu der Zelle hinüber.
    »Sie brauchen nicht hineinzugehen.« Rathbone verstellte ihr den Weg. »Es ist sehr unerfreulich.«
    »Vielen Dank für Ihr Feingefühl, Oliver«, sagte sie bedrückt.
    »Aber ich habe weit mehr Tote gesehen als Sie. Ich komme schon zurecht.« Mit diesen Worten ging sie hinein und streifte dabei leicht seine Schulter. Er hatte seine Jacke wieder angezogen, was seltsam aussah, da er jetzt kein Hemd mehr darunter trug.
    In der Zelle blieb sie einen Augenblick still stehen und schaute hinunter auf die zusammengekrümmte Gestalt Caleb Stones. Sie betrachtete ihn eine Weile, bevor sie die Stirn ein wenig kraus zog. Dann stieß sie einen Seufzer aus, straffte sich und ging wieder hinaus. Ihr Blick traf sich mit dem Rathbones.
    »Was werden Sie jetzt tun?« fragte sie leise.
    »Nach Hause fahren und mir ein Hemd holen«, erwiderte er mit einem verzerrten Lächeln. »Sonst gibt es nichts mehr zu tun hier, meine Liebe, auf keinen Fall mehr, der Anklage oder Verteidigung erforderte wenn Mrs. Stonefield wünscht, daß ich sie in der Angelegenheit der offiziellen Anerkennung des Todes ihres Mannes vertrete, dann werde ich das natürlich tun. Zuerst müssen wir uns um diese Angelegenheit hier kümmern, was der Richter wohl übernehmen wird, wenn das Gericht morgen wieder tagt.« Da ist doch noch etwas, das Ihnen Sorgen macht, oder?« fragte Monk plötzlich und sah sie eindringlich an. »Was ist es?«
    »ich… bin mir nicht ganz sicher, glaube ich…« Sie schien angestrengt nachzudenken, war aber offensichtlich nicht bereit, mehr zu sagen.
    »Dann kommen Sie mit mir, und

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