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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zwischen zwei Steinkrügen auf der einen Seite und einem Stapel mit Töpfen und Kesseln auf der anderen eine kleine Lücke war.
    »Machen wir vielleicht jetzt ab und an ein kleines Geschäftchen nebenbei?« Es sollte eine Beleidigung sein, aber als Monk keine Anzeichen von Arger zeigte, veränderte sich Wiggins Gesichtsausdruck plötzlich, und er sah sein Gegenüber verblüfft an. »Wir machen also doch ein paar krumme Geschäfte hier und da? Na, wer hätte das gedacht? Komischer Gedanke. Mr. Monk, ausgerechnet! Legt sich 'n bißchen was zur Seite. Schmeckt Ihnen wohl nicht, keinen regelmäßigen Lohn mehr zu kriegen dafür, daß Sie wen finden? Sie haben wohl Hunger und frieren jetzt auch ab und an? Muß schon sagen, Sie sehen auch nicht mehr so aus wie früher; war 'n richtiger Dandy, ja, ja. Bißchen runtergekommen, wie?« Sein Lächeln wurde bei jedem neuen Einfall breiter. »Wenn Sie jemand suchen, der Ihre feine Kluft kauft, könnte ich Ihnen vielleicht einen guten Preis machen. Könnte die Sachen nach Westen rauf verkaufen, mit 'nem schönen kleinen Gewinn. Das heißt, natürlich nur, wenn Sie's nicht selbst machen wollen? Verträgt sich wohl nicht mit Ihrem Stolz, wie?«
    Monk unternahm eine gewaltige Anstrengung, sein Temperament zu zügeln. Er verspürte den Wunsch, später am Tag in den allerbesten Kleidern, die er besaß, zurückzukehren und Wiggins einen Goldsovereign zu geben, nur um ihm zu beweisen, daß er falsch lag.
    »Ich kann ein unangenehmer Feind sein, wenn man mich dazu drängt«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Und im Augenblick fühl' ich mich sehr hart gedrängt.«
    »Sie waren immer schon ein unangenehmer Feind«, erwiderte Wiggins säuerlich. »Und auch ein schlechter Freund, soweit ich weiß. Wollen Sie nun was verkaufen oder nicht?«
    »Ich möchte ein kleines Geschäft machen«, sagte Monk vorsichtig. »Nicht mit Ihnen, mit Caleb Stone.«
    Wiggins' Züge versteinerten.
    »Ich habe eine Arbeit für ihn«, log Monk. »Eine, für die ich ihn bezahlen werde, und nach allem, was ich gehört habe, könnte er das Geld gut gebrauchen. Ich muß wissen, wo ich ihn finden kann, und Sie scheinen da eine gute Informationsquelle zu sein.«
    »Ich weiß nicht, wo Sie ihn finden können, und würd's Ihnen auch nicht sagen, wenn ich's wüßte,« sagte Wiggins mit unverwandtem Blick auf Monk.
    Die Tür öffnete sich, und eine kleinwüchsige Frau, die sich einen dünnen Schal um die gebeugten Schultern zog, trat mit einem Paar Stiefel in der Hand ein. Sie musterte Monk ängstlich, um festzustellen, ob sie warten sollte, bis er fertig war, oder nicht.
    »Was willst du, Maisie?« fragte Wiggins über Monks Kopf hinweg. »Schon wieder Billys Stiefel, was? Ich geb' dir Sixpence. Wenn ich dir mehr geben würd', bekämst du nie genug zusammen, um sie wieder zurückzuholen.«
    »Er kriegt am Freitag Geld«, erwiderte sie zaghaft, als handelte es sich mehr um eine Hoffnung als um eine Überzeugung. »Er hat 'n bißchen gearbeitet. Aber die Kinder müssen schließlich was im Bauch haben. Geben Sie mir einen Shilling, Mr. Wiggins. Ich zahl's Ihnen bestimmt zurück.«
    »Die Dinger sind keinen Shilling wert«, sagte Wiggins sofort.
    »Lauter Löcher drin. Ich kenne diese Stiefel da wie meine eigene Westentasche. Sevenpence. Das ist mein letztes Wort! Wenn's dir nicht paßt, kannst du ja gehen.«
    »Was für eine Art Arbeit macht Billy denn?« fragte Monk plötzlich.
    Wiggins holte tief Luft, um sich einzumischen, aber die Frau war schneller als er.
    »Der macht alles, Mister. Wenn Sie irgendeine Hilfe brauchen, mein Billy erledigt das für Sie.« Ihr mageres Gesicht war voller Hoffnung.
    »Ich will Caleb Stone finden«, erwiderte Monk. »Ich will nur wissen, wo er wohnt, das ist alles. Reden kann ich dann selbst mit ihm. Sein Bruder ist gestorben, und ich möchte es ihm offiziell mitteilen. Sie haben sich sehr nahegestanden, auch wenn sein Bruder oben im West End gelebt hat.«
    »Ich kann Ihnen sagen, wo Selina wohnt«, sagte sie, nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte. »Sie ist seine Frau. Na ja, irgendwie jedenfalls.«
    Monk schob eine Hand in seine Tasche und förderte ein Geldstück zutage. »Einen Shilling jetzt und noch einen, wenn Sie mich zu ihr bringen. Behalten Sie die Stiefel.«
    Sie riß den Shilling mit einer knochigen, schmutzigen Hand an sich, warf Wiggins einen Blick zu, der eine Mischung aus Triumph und dem Wissen war, daß sie ihn ganz gewiß bald wieder brauchen

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