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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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würden, zu Ende zu sprechen«, fuhr Monk fort, »kann ich die Sache sehr viel früher auf den Punkt bringen.«
    Rathbone seufzte und ließ die Hand sinken. Nach Monks Gesichtsausdruck zu urteilen, würde er so oder so weitersprechen. Rathbone schoß der Gedanke durch den Kopf, daß Monk, wenn er schon Klienten von der Isle of Dogs annahm, wahrhaftig keinen Grund hatte, so hochmütig zu sein, aber das würde sie nicht weiterbringen. Immerhin war durchaus denkbar, daß der Fall sich dennoch als interessant erweisen konnte.
    »Die beiden Brüder hassen einander schon seit langem«, sagte Monk, ohne Rathbone aus den Augen zu lassen. »Caleb, derjenige, der in der Gegend von Blackwall lebt, bestreitet seinen Unterhalt mit Diebstahl, Einschüchterung und Gewalt. Angus, der Ehemann meiner Klientin, lebt in einem eleganten Teil von London und ist der Inbegriff an Respektabilität und geordnetem Familienleben. Er ist mit seinem Bruder in Verbindung geblieben, aus alter Verbundenheit, ein Gefühl, das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Caleb war von einer starken Eifersucht auf ihn erfüllt.«
    Rathbone sagte ganz bewußt nichts dazu.
    Monk zögerte nur eine einzige Sekunde. Dann fuhr er fort:
    »Die Ehefrau ist davon überzeugt, daß Caleb Angus' Mörder ist. Er hat ihn in der Vergangenheit häufig angegriffen. Ich habe Caleb in den Greenwich-Sümpfen aufgespürt, und er hat zugegeben, Angus getötet zu haben, aber ich kann keine Leiche finden.« Sein Gesichtsausdruck war angespannt. »Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie er sich der Leiche entledigt haben könnte. Der Fluß ist eine der naheliegendsten, aber er könnte ihn auch in den Sümpfen vergraben haben, damit er dort verrottet, er könnte ihn im Frachtraum eines auslaufenden Schiffes versteckt oder ihn sogar persönlich bis zur Flußmündung gebracht und über Bord geworfen haben. Oder er könnte ihn in einem Gemeinschaftsgrab zusammen mit den Typhusopfern in Limehouse verscharrt haben. Niemand wird die Leichen dort herausholen, um sie zu identifizieren oder zu zählen!«
    Rathbone lehnte sich in seinem bequemen Schreibtischstuhl zurück und legte die Fingerspitzen aneinander.
    »Ich nehme an, daß niemand außer Ihnen Zeuge von Calebs Geständnis war?«
    »Natürlich nicht.«
    »Und welche Beweise haben Sie für diesen Mord, abgesehen von der Überzeugung der Ehefrau?« fragte Rathbone weiter.
    »Sie ist keine unparteiische Zeugin. Ach, übrigens, wie stand er finanziell da? Und welche anderen… Interessen könnte seine Frau haben?«
    Ein verächtlicher Ausdruck huschte über Monks Züge. »Er konnte nicht klagen, jedenfalls nicht, solange er sein Geschäft selbst leitete. Das Ganze hängt von seinem persönlichen Urteilsvermögen ab. Die Geschäfte werden sich rapide verschlechtern, wenn er nicht bald zurückkommt, und an den Nachlaß kommt man so ohne weiteres nicht heran. Und was die andere Frage betrifft - soweit ich es einschätzen kann, scheint sie eine überaus tugendhafte Frau zu sein; sie ist sehr schön, aber im Augenblick macht sie sich große Sorgen um das Wohlergehen ihrer Kinder.«
    Der Ärger in Monks Stimme konnte bedeuten, daß es ihm mißfiel, daß jemand sein Urteil in Frage stellte. Andererseits, dachte Rathbone, legte das Maß an Eindringlichkeit in seinen Augen die Vermutung nahe, daß er ein gewisses Mitleid für die Frau empfand und ihr deshalb glaubte. Aber er war keineswegs sicher, ob Monk, der eine hervorragende Menschenkenntnis besaß, wenn es um Männer ging, wirklich genausoviel von Frauen verstand.
    »Gibt es Zeugen für irgendwelche Streitigkeiten?« fragte er und kehrte damit zum eigentlichen Thema zurück. »Irgendeinen bestimmten Streitpunkt zwischen den beiden Brüdern, bei dem es um Besitz ging, eine Frau, ein Erbe oder eine alte Kränkung?«
    »Ein Zeuge hat sie an dem Tag, als Angus verschwand, zusammen gesehen«, erwiderte Monk. »Und da haben Sie sich gestritten.«
    »Kaum ein Grund, jemanden des Mordes anzuklagen!« meinte Rathbone trocken.
    »Was muß ich vorweisen können, juristisch gesehen, meine ich?« Monks Gesicht war wie erstarrt. Es verriet Müdigkeit und Niedergeschlagenheit. Rathbone vermutete, daß er an dem Fall schon seit vielen Tagen ohne Ergebnisse gearbeitet hatte, und er wußte, die Chancen waren gering, falls es sie überhaupt gab.
    »Nicht unbedingt eine Leiche.« Rathbone beugte sich ein wenig vor und behandelte Monk mit dem Ernst, den dieser erwartete.
    »Wenn Sie beweisen können, daß Angus zur

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