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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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verlassen?« Ein Schatten legte sich über ihre Augen.
    »Es ist nicht mehr nötig, daß ich die ganze Zeit dort bin. Miss Latterly ist sehr tüchtig, und was die häuslichen Pflichten betrifft, stehen natürlich Hausmädchen zur Verfügung. Ich gehe jeden Tag hin, aber für meine Kinder ist es viel besser, hier zu Hause zu sein.«
    Monk wollte gerade Einwände erheben, weil er an die Unkosten für Heizung und Nahrungsmittel dachte, ja sogar an die weitere Beschäftigung ihrer eigenen Dienstboten, aber Titus Niven kam ihm zuvor.
    »Es ist sehr freundlich von Ihnen, sich Sorgen zu machen, aber Mr. Stonefields Verschwinden bedeutet mehr als genug Kummer und Unruhe für seine Familie. Ich bin sicher, Sie sind meiner Meinung, daß es eine zusätzliche Härte bedeuten würde, wenn sie auch noch ihr Heim verlassen müßte, und es deshalb so lange wie möglich hinausgeschoben werden sollte.«
    Viele Antworten gingen Monk durch den Kopf - die Behaglichkeit des Hauses Ravensbrook, vor allem jetzt im Winter; die wohlige Wärme, die dort herrschte; die guten Mahlzeiten; die Tatsache, daß Genevieve dort viele ihrer Sorgen und Verantwortungen abgenommen wurden; und auf der anderen Seite die Unmöglichkeit, daß sie Titus Niven dort empfangen konnte, wann immer sie wollte. Vielleicht war es so einfacher für sie, ihn, wenn die Zeit gekommen war, als neuen Direktor in Angus' Geschäft einzusetzen.
    »Ja, da haben Sie wohl recht«, räumte er ein wenig ungehalten ein. »Ich werde weiter versuchen, so viele Beweise wie möglich zusammenzutragen. Erinnern Sie sich, ob Ihr Mann irgendwann einmal etwas darüber gesagt hat, wo er sich mit seinem Bruder traf, Mrs. Stonefield? Sie haben mir erzählt, daß er nie von seinen Besuchen sprach, aber möglicherweise hat er mit einer unbeabsichtigten Bemerkung auf die Umstände dieser Treffen oder die Örtlichkeiten, an denen sie stattfanden, hingewiesen; auch die kleinste Kleinigkeit könnte uns weiterhelfen.« Er beobachtete sie aufmerksam und forschte in ihrem Gesicht nach dem leisesten Anzeichen von Unaufrichtigkeit; er wollte herausfinden, ob sie ihm irgendwelche Informationen vorenthielt, Dinge, von denen sie etwas wußte, von denen sie aber nichts hätte wissen dürfen, wenn sie unschuldig war.
    »Ich verstehe nicht recht, Mr. Monk.« Sie blinzelte. Er las nichts als Verwirrung in ihren Zügen.
    »Haben sie zusammen gegessen oder ein Glas Bier getrunken, Zum Beispiel?« erklärte er sein Anliegen näher. »Haben sie sich in einem Haus getroffen oder im Freien, am Fluß oder am Ufer? In Gesellschaft anderer oder allein?«
    »Ja, jetzt verstehe ich.« Aber gleich nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, flackerte neuer Schmerz in ihren Augen auf.
    »Sie wollen wissen, wo Sie nach… einer Leiche… suchen könnten.«
    Titus Niven zuckte zusammen, und sein empfindsamer Mund verzog sich unwillig. Er warf Monk einen flehentlichen Blick zu, unterbrach ihn jedoch nicht, obwohl seine Zurückhaltung ihn offenbar Anstrengung kostete.
    »Oder nach einem Zeugen«, ergänzte Monk.
    »Mir fällt nichts ein, sonst hätte ich es Ihnen schon berichtet.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie ich schon sagte, er hat nie mit mir über seine Treffen mit Caleb gesprochen. Sie haben ihn immer sehr aufgeregt. Aber ein oder zweimal waren seine Kleider feucht und rochen nach Salz und Fisch.« Sie holte tief Luft.
    »Und nach anderen Dingen, die ich Ihnen nicht näher beschreiben kann, die aber äußerst unerfreulich waren.«
    »Ich verstehe. Vielen Dank.« Er hatte sich gefragt, ob sie ihn vielleicht ganz vorsichtig zu dem Ort führen würde, an dem Angus sich befand. Wenn sie etwas wußte, dann würde sie es früher oder später tun. Sie brauchte den Beweis für seinen Tod. So, wie sie jetzt in diesem eleganten Raum stand und wußte, daß er langsam, aber sicher seiner Kostbarkeiten beraubt werden würde, und angesichts des winzigen Kohlehäufleins, das im Kamin glomm, und ihres bleichen, von Müdigkeit und Angst gezeichneten Gesichts war es ihm fast unmöglich zu glauben, daß sie auch nur das geringste zu verbergen hatte. Aber er hatte sich schon früher geirrt. Und die Tatsache, daß er Niven mochte, bedeutete ebenfalls nichts. Er mußte den Dingen auf den Grund gehen. »Dann werde ich mich jetzt verabschieden. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Ma'am. Mr. Niven.«
    Den Rest des Tages und auch die Hälfte des nächsten verbrachte er mit der Verfolgung aller ihm noch verbliebenen Spuren und hatte damit

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