Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
redete mit ihr, stellte ihr unablässig und gleichzeitig feinfühlig Fragen. Brenda schüttelte den Kopf. Anderson sah seine Frau an, biss sich auf die Lippen und ging weiter, ohne ein Wort zu sagen. Brenda merkte, dass er vorbeiging, und streckte zitternd eine Hand nach ihm aus. Er beachtete sie nicht. Schockiert schlug sie die Hand vor den Mund, und jetzt begannen die Tränen zu strömen. Die Nachricht hatte die Runde gemacht, und mehrere eigentlich krankgeschriebene Beamte hatten sich zum Dienst zurückgemeldet. Es roch nach starkem Kaffee und VapoRub. Ständig kamen von unterschiedlichen Stimmen Meldungen über das Funkgerät herein, und Anderson erkannte, dass es sich um die Zentralschaltung von Partick handelte. Die Sache hatte jetzt eine persönliche Dimension erhalten: Es hatte einen von ihnen getroffen.
DS Lewis telefonierte mit Partick. »Ja, sämtliche Überwachungsbänder«, sagte sie zum dritten Mal mit übertriebener Geduld. »Weil wir jedes einzelne überprüfen müssen, das ist der Grund.« Eine Stimme schnarrte aus dem Hörer. »Ja, ich verstehe, Sie sind unterbesetzt. Sind wir aber auch. Wenn Sie einfach nachsehen … könnten! Drei Kinder in fünf Tagen! Jede Minute, die Sie mir Ihre Entschuldigungen erzählen, ist eine verschwendete Minute. Trottel!« , zischte sie, so leise, dass es der Idiot am anderen Ende der Leitung nicht verstehen konnte. In dem Augenblick, in dem sie Anderson bemerkte, verstummte sie.
Anderson sah zur Wand. Jetzt war Peter verschwunden, direkt unter ihrer Nase.
Quinn trat zu ihm und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, Colin, wir können Sie hier jetzt nicht gebrauchen. Am besten reden Sie erst einmal mit Brenda.«
»Nein, danke.«
»Sie ist vollkommen erledigt. Und sie hat Peter als Letzte gesehen. Irvine bekommt einfach nichts Konkretes aus ihr heraus. Ihre Frau sagt, sie sei die Byres Road entlanggegangen, habe sich umgedreht und Peter sei nicht mehr da gewesen. Wir müssen mehr wissen, Colin. Versuchen Sie es wenigstens. Wir bringen sie in einen Verhörraum, da können Sie mit ihr sprechen. Und wir halten Sie auf dem Laufenden.«
Sie hatte ihn, stellte er fest, langsam aus dem Büro und über den kurzen Gang zum vordersten Verhörzimmer geschoben. Irvine zog sich zurück, nachdem sie Brenda hereingebracht hatte, und ehe Colin etwas einwenden konnte, war er allein mit seiner Frau. Brenda trug den gleichen Mantel wie auf dem Basar, doch ansonsten war sie kaum wiederzuerkennen. Ihre Augen und ihr Gesicht waren gerötet, und sie wirkte entsetzlich mitgenommen. Sie trat mit offenen Armen auf ihn zu. Er ging einen Schritt zurück, hinter den Tisch, und war erleichtert über die Barriere zwischen ihnen.
Brenda hielt sich das Gesicht und weinte. »Es tut mir so schrecklich leid.«
»Musstest du ihn allein gehen lassen? Konntest du ihn nicht an die Hand nehmen?« Er fuchtelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht. »War es dir zu viel, auf dein eigenes Kind aufzupassen?«
Brenda biss sich auf die Lippe, und die Tränen hörten nicht auf zu strömen. »Und wo warst du? Wir haben ihn beide vernachlässigt.«
»Das denkst aber auch nur du. Ich bin kein schlechter Vater.«
»Aber ein beschissener Ehemann, und manchmal kommt das aufs Gleiche heraus.«
»Schieb mir nicht die Schuld in die Schuhe«, zischte Anderson – voller Wut auf Peter und voller Wut auf sich selbst. Voller Wut auf Brenda, weil sie die Wahrheit gesagt hatte.
»Na, du solltest draußen unterwegs sein und nach ihm suchen.«
»Wenigstens in diesem Punkt sind wir uns einig. Ich gehe los, sobald wir eine Aussage von dir haben.«
»Es war nichts, Colin, ehrlich. Im einen Moment lief er hinter mir, im nächsten war er verschwunden. Ich habe diesem Mädchen schon alles erzählt, was mir eingefallen ist.«
Colin sah auf dem Block die wenigen handschriftlichen Notizen, die sich Irvine gemacht hatte. Er überflog sie. »Das reicht nicht. Gib dir ein bisschen mehr Mühe.«
Er blickte sie an. Das Weiße ihrer Augen erinnerte an Lilien mit roten Äderchen, ihr Gesicht war aufgequollen, und sie zitterte. Ihre Hände waren unablässig in Bewegung, sie drückte das Blut aus den Fingerspitzen, bis sie blau und kalt waren.
»Tut mir leid, Schatz, ich bin einfach … ich hole uns erst einmal einen Kaffee. Setz dich hin, atme tief durch und beruhige dich. Panik hilft uns nicht weiter. Also entspann dich.« Er brachte ihre Hände zum Stillstand, indem er sie ergriff, und verdrängte alle Gedanken
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