Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
bei dem Appell helfen. Den können Sie schließlich nicht selbst sprechen; als Polizist sind Sie viel zu bekannt. Brenda ist Ihre Frau, Sie können ihr helfen, das Beste aus sich rauszuholen.« Quinns Stimme klang beinahe flehend. Sie suchte mit einem Blick Unterstützung bei Costello.
»Wäre einen Versuch wert, nicht, Col? Im Augenblick haben wir hier alles im Griff. Machen Sie lieber etwas, das uns nützt.«
»Sie bekommt das schon allein hin. Lassen Sie einfach das Band laufen«, sagte er mit einer Stimme, die unnatürlich fest klang.
Costello gab sich geschlagen und zuckte mit den Schultern. Sie hatten das Material wieder und wieder angeschaut, und sie wusste, was darauf zu sehen war. Es zeigte genau das, was Brenda beschrieben hatte, aber das zu hören war eine ganz andere Sache, als es mit eigenen Augen zu sehen. Das Bild des eigenes Sohnes, der im einen Moment da ist und im nächsten verschwunden. Und ohne die leiseste Ahnung, wann oder ob er überhaupt je wieder auftauchen wird.
Der Monitor leuchtete auf, und Schwarzweißbilder wanderten von der linken Seite zur rechten. Die beiden Kameras standen an der Westseite der Byres Road in Richtung des dreieckigen Parkplatzes zur University Avenue hin, auf dem zurzeit der deutsche Weihnachtsmarkt stattfand, und ein Pulk fröhlicher Weihnachtsshopper marschierte durch Schneematsch und Pfützen.
Der Zeitstempel zeigte 19:20.
Da war das Leben noch normal gewesen.
»Wie bald wurde der Alarm ausgelöst?«, fragte Costello.
»Sobald sie den Wagen erreicht hatte«, antwortete Quinn ebenso leise.
»Tun Sie nicht so, als wäre ich nicht da«, meinte Anderson scharf und wütend. »Sie ist also ein ganzes Stück die Byres Road entlanggegangen, ehe ihr aufgefallen ist, dass er nicht mehr da ist? Der Wagen stand an der Dumbarton Road, meine Güte!«
»Es war eine Menge los, Colin, sie … ach, egal. Weiter, Gordon.«
Wyngate rutschte zurück und machte Anderson Platz in ihrem Kreis. »Wir haben uns das jetzt fünfzehn Mal oder so angesehen.« Er seufzte. »Sehen Sie den Mann da mit dem Hut? Behalten Sie ihn im Auge. Sie ist genau hinter ihm und geht hier entlang.«
Menschen kamen vorbei, in beide Richtungen, trugen Taschen oder schoben Kinderwagen, aus denen Rollen mit Weihnachtspapier ragten wie Turnierlanzen. Die Bilder waren körnig, und wegen der erhöhten Position der Kamera und der Verzerrung durch das Fischauge war es sehr leicht, etwas zu übersehen.
»Diese Uhr geht richtig, ja?«, fragte Mulholland und zeigte auf den Zeitstempel.
»Ganz exakt. Habe ich überprüft.«
Brenda erschien hinter dem Mann mit dem Hut, drehte sich leicht, als sage sie etwas über die Schulter, und nahm die Einkäufe von einer Hand in die andere. »Na ja, an der Stelle hätte sie wohl auf ihn warten sollen«, meinte Wyngate. Aber Brenda ging weiter. Niemand sagte etwas. Costello legte Anderson kurz die Hand auf den Arm, zog sie jedoch sofort wieder zurück.
Ein korpulenter Mann in einem langen Mantel beugte sich in der Mitte des Bildschirms zum Schaufenster eines Immobilienmaklers vor.
»Wartet er?«, fragte Costello. »Und wenn, worauf?«
Die Menschen zogen unaufhörlich quer über den linken Monitor und tauchten dann auf dem rechten wieder auf. Still und geisterhaft wurde ihre Bewegung von der Kamera verlangsamt, deshalb sahen sie aus wie lebende Tote.
»Dieser Kerl …«, Wyngate zeigte mit dem Stift auf einen einzelnen Mann in Anorak und Jeans, »… ist direkt hinter den beiden. Wir versuchen, ein Bildschirmfoto von ihm zu machen und ihn aufzuspüren. Möglicherweise hat er etwas gesehen.«
Anderson starrte grimmig auf den Bildschirm. Um zwanzig nach sieben hatte er vor dem Saal gestanden und auf Helena McAlpine gewartet. Er hatte nichts anderes im Sinn gehabt, als sich zu amüsieren …
Wyngate riss ihn aus seinen Gedanken. »Und er trägt eine kleine Tasche von einem der Stände. Wir haben eine Liste der Standbesitzer.« Er tippte mit dem Stift auf den Monitor. »Sieht aus wie die Tüten von dem Stand für deutsche Würste.«
Costello spürte, wie sie sich anspannte, während sie auf Andersons Reaktion wartete, als Brenda ins Bild kam, ihren Mantel zuknöpfte und sich die Schultertasche umhängte.
»Wo ist Peter?«, flüsterte Anderson.
Jetzt entfernte sich Brenda von dem Markt, trat auf den Bürgersteig und war genau im Bild. Ein kleiner Junge mit Pu-der-Bär-Rucksack, an dem ein Drache baumelte, trottete hinterher und versuchte, Schritt zu halten. Peter hatte
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