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Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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drehte sich um, ob Eve ihr zuschaute, doch ihre Schwester hatte den Kopf gesenkt und sich in eine Zeichnung vertieft. Lynne kniete sich hin, hob die Schachfigur auf und liebkoste die vertraute Form mit den Fingerspitzen.
    »Hast du heute Besuch gehabt, Eve?«, fragte sie.
    »Nein, wer sollte mich schon besuchen?« Eve richtete sich auf und zuckte zusammen, weil ihr Rücken schmerzte. »Ach ja, du gehst doch heute Abend ins Mother India? Du musst selbst hinkommen, hat er gesagt. Oh, schau nicht so elend. Man möchte meinen, jemand wäre auf deinen Lieblingsteddy getreten.«
    »Hat er angerufen?«
    »Ja, habe ich das nicht erwähnt?«
    Lynne antwortete nicht, sondern stieß den König mit dem Fuß der Dame um und stellte sie auf ihren rechtmäßigen Platz.
    Alles war wie gehabt: das plüschige weiße Sofa, der cremefarbene Teppich, der Perser an der Wand. Am Fenster war großzügig weißer Musselin um eine Messingstange geschlungen, und der Stoff wallte herunter und warf elegante Falten auf dem Boden. Auch die japanische Pflanzschale mit den vier Bonsaibäumen hatte sich nicht verändert. Anderson befühlte die zarten Äste, die hart und gleichzeitig geschmeidig waren. Er erinnerte sich an eine kalte, verregnete Nacht ganz ähnlich dieser, als er seinen Boss zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich vorstellen, dass er sich umdrehte und den Geist von Alan auf dem Sofa sah, wie er dort im Anzug schlief.
    Er ging hinüber zum Feuer, stellte sich mit dem Rücken davor und ließ sich von der sanften Hitze die Beine wärmen. Seine Füße sanken in der dicken Wolle des Teppichs ein. Der kahle Linoleumboden der Partickhill-Wache war kaum fünf Minuten entfernt, und trotzdem hatte er das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu stehen.
    Dieses Haus war mit ausgesuchtem Geschmack luxuriös und dabei behaglich eingerichtet worden. Der Stutzflügel stand in der Ecke, und es machte den Eindruck, als stünden jetzt mehr Fotos darauf, mehr Fotos von Alan und Helena zusammen. Gerührt entdeckte er in einer bunten Montage die Gesichter seiner eigenen Kinder, die ihn anschauten, Peter mit einem Polizistenhelm und breitem Grinsen, das einen lockeren Milchzahn in gefährlichem Winkel zeigte, und Claire posierte wie ein Mädel aus den Zwanzigern und stützte das Kinn auf die Fingerspitze. Vermutlich war es auf der Halloweenparty letztes Jahr in der Wache aufgenommen worden, doch er konnte sich nicht daran erinnern. In diesem Raum mit den großen Sofas und den Stapeln aus Kunstbänden würden niemals Kinder aufwachsen. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie Helena sich eigentlich fühlte wegen ihrer Kinderlosigkeit. Wie sie sich jetzt fühlte, nachdem ihr Mann gestorben war und sich ihr eigenes Leben ebenfalls in der Schwebe befand.
    Er drehte sich zum Feuer um und betrachtete das Selbstporträt im Präraffaeliten-Stil über dem Sims. Es hatte zu Alans Lieblingsbildern gehört; stets hatte er gescherzt, er möge es, weil es keine Widerworte gab. Helena trug ein dunkelgrünes Samtkleid mit Falten, üppige Farbe neben üppigem Dekolleté, und natürlich das ewig zerzauste kastanienbraune Haar. Am Tag nach Alans Beerdigung hatte sie es sich abgeschnitten.
    Sie kam mit einem Tablett herein und stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. »Ich habe keine Sahne«, entschuldigte sie sich, »nur Milch, fürchte ich.«
    »Schön«, sagte er. »Zu Hause bin ich momentan schon froh, wenn ich Milch bekomme, die noch flüssig ist.« Andersons Handy piepte.
    »Haben Sie es eilig?«, fragte sie und hielt inne, die Kaffeekanne über der Tasse.
    »Nein, nein. Ich bekomme nur SMS von Leuten, die ich gar nicht kenne. Von einem PC Smythe.« Er las die Nachricht, zog die Augenbrauen zusammen und ließ das Handy zuschnappen, ehe er sich auf das Sofa setzte, weil es ihm falsch erschien, vor einem Feuer zu stehen, das nicht ihm gehörte. »Von der Werkstatt habe ich noch nichts gehört. Klappt es mit dem Reservereifen?«
    Sie fragte nicht: Warum rufen Sie denn nicht selbst an? Genau damit hätte Brenda ihn genervt, und zwar unentwegt. Stattdessen sagte sie: »Ja, das ist schon in Ordnung. Ich brauche den Wagen nicht so häufig, ich gehe ja auch jetzt ins Krankenhaus, und den Wagen wollte ich nicht mitnehmen.« Helena reichte ihm seinen Kaffee, und einen Moment lang legte Colin seine Hand auf ihre.
    Helena lächelte knapp und entzog sie ihm. »Und, gefällt Peter das Kostüm?«
    »Ich war noch nicht zu Hause, aber ich wollte

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