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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Schönhals war Italienerin, hatte kalabrische Eltern, die leben in Ihringen. Wussten Sie, dass ihre Mutter gar nicht krank war?«
    »Ohne Frank Gatow komme ich nicht.«
    »So sehr vertrauen Sie ihm? Trotz der undurchsichtigen Kontakte seiner Frau? Das ›Il Calice‹ führt ihre Weine.«
    »Wollen Sie Zwietracht säen?«
    »Nein, vielleicht nur Ihr Leben retten, denn Sie haben etwas, das ich haben will.«
    »Also ein endgültiges Ja?«
     
    »Ich kann den Mann verstehen«, sagte Frank, als sie auf dem Rückweg über Templins Vorbehalte sprachen. »Ich bin froh, dass meine Frau nicht mehr hier ist. Mir hat ihr Umgang mit diesen Winzern auch nicht gefallen. Es wundert mich nur, woher der Kerl davon weiß. Bist du mal bei ihm zu Hause gewesen?«
    »Dazu ergab sich bisher keine Möglichkeit.« Nachdenklich starrte Henry aufs Armaturenbrett. Ihm schien es, als würde Templin nur in der Kneipe leben, sozusagen Hof halten   – weil seine Wohnung im Chaos versank oder dem Eindruck des Trinkers widersprach?
    »Ich finde es erschreckend, dass jemand sich öffentlich betrinkt, sich aller Welt als Alkoholiker darstellt, und abstoßend, dass Templin seinen Zustand vor sich herträgt, damit geradezu kokettiert.«
    »Das macht ihn in meinen Augen unglaubwürdig. Ich kannte ihn vor   …« Aber Henry wurde unsicher, er hatte Templin zuletzt vor fünf oder sechs Jahren gesehen. »Ich werde hier langsam aus gar nichts mehr schlau.«
    »Dann sollten wir dringend essen gehen.«
    Diese lebensnahe Logik schätzte Henry an Frank besonders.
     
    Sie stellten den Wagen unter den Tannen des Parkplatzes beim »Il Calice« ab. Frank wollte vor dem Essen duschen, er hatte den Nachmittag über seine Kameras in der Sonnenhitze durch steiles Gelände und über Terrassen geschleppt.
    Henry betrat die Terrasse. Unter den großen weißen Sonnenschirmen fingen sich die Worte der wenigen verbliebenen Gäste, italienische Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr, er steuerte direkt darauf zu. Zu seinem Erstaunenwaren die Winzer aus Kalabrien noch immer hier. Er wusste, dass sie Englisch sprachen, wenn auch schlecht, aber für eine oberflächliche Unterhaltung würde es reichen, außerdem könnte Frank ihm helfen. Bisher hatte er die Nähe des Ehepaars gemieden, sie waren ihm gegenüber stets reserviert geblieben, Kontakt hatten sie nur zu den Landsleuten unter den Juroren gepflegt.
    Ohne zu fragen, zog Henry einen Stuhl heran, schüttelte den verdutzten Winzern die Hände und setzte sich wie selbstverständlich zu ihnen an den Tisch.
    »Sie haben die Challenge gut überstanden?«, fragte er lächelnd.
    Die Eheleute nickten, wie in ihr Schicksal ergeben. Aber die Signora fing sich schnell, sie taxierte ihn aus großen schwarzen Augen. Die Vierzigjährige wirkte eher zäh als sportlich, ihr harter Mund zwang sich zum Lächeln, entweder war sie verbissen oder hatte ihr Leben lang hart arbeiten müssen. Rock und Bluse hatte sie allerdings nicht in Reggio di Calabria gekauft, wohl eher bei einem römischen Designer, um den Hauch des Gewöhnlichen zu kaschieren, der ihrer Person anhaftete.
    Ihr Ehemann trug heute statt des schwarzen einen dunkelgrauen Anzug, das Sakko hatte er über die Lehne gehängt. Der Anzug musste teuer gewesen sein, das Hemd auch, nur das Schuhwerk wirkte grob. Zu diesem Anzug hätte ein schmaler, schwarzer Schnürschuh oder Slipper aus weichem Schweinsleder gehört, aber auf keinen Fall ein brauner Wildlederschuh mit einer Schnalle und Plastiksohle. Für Henry sagten Schuhe viel über den Stil eines Menschen.
    In einer nervösen Bewegung drehte die Frau das neben dem Teller liegende Messer auf der Tischdecke, sie hörte sofort damit auf, als sie Henrys Augen auf ihre Hände gerichtet sah.
    »Ich dachte zuerst, Sie seien Deutscher«, sagte Signora Valiano gedehnt. »Mit unserem Freund Francesco, mit AntoniasMann, sprechen Sie nur Deutsch, wir verstehen davon kein Wort.«
    »So wichtig ist es nicht, uns zu verstehen. Wir führen meist Fachgespräche. Wir sind quasi Kollegen, Fotografen und Journalisten bildeten früher stets ein Team, bevor die Sparmaßnahmen griffen, seitdem müssen die Fotografen schreiben und die Schreiber fotografieren, ob sie es können oder nicht.«
    Henry bombardierte die beiden mit so vielen Fragen über ihr Weingut und die Rebsorten, die sie dort anbauten, dass sie sich schlecht einer Antwort entziehen konnten, ohne bei so viel   – wenn auch geheucheltem   – Interesse grob unhöflich zu wirken.
    Die

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