Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
nicht pinkeln gehen. Wenn du dich bewegst, bist du tot   …«
    Jetzt lag Henry hier in diesem Loch und dachte an Lobos Rat. Nach fünfundzwanzig Jahren erinnerte er sich zum ersten Mal wieder an ihn. Nach den Befreiungskriegen hatte er die Schwächen der Menschen erkannt, die auch er an die Macht gebracht hatte, »keine Macht für niemand« war seine Parole geworden, und er war wieder untergetaucht. Wo mochte Lobo jetzt sein? In welchem Loch mochte er jetzt liegen? War er noch am Leben?
    Sein Rat war gut. Henry lauschte in die Nacht, das brachte ihn von der Angst weg, und damit schwand der Druck. Die Schritte kamen näher, die zwei unterdrückten Stimmen auch.
    »Vai ancora piu adestra!«,
hörte er jemanden flüstern, dessen Stimme er nicht kannte.
    »Dove?«,
fragte die andere Stimme. Da stand jemand keine zwei Meter von ihm entfernt, und er sah, wie die dunklen Schatten seiner Verfolger in der Grube hinter der Baumwurzel suchten, er sah, wie eine der Gestalten eine Pistole hob, vorn mit einem dicken Aufsatz, einem Schalldämpfer, und in die Grube schoss. Hätte er da gelegen   …
     
    Als er nach einer Stunde aus seinem Versteck kriechen wollte, dachte er an Lobo   – und blieb. Es war nicht kalt, es war nur widerlich feucht, eine Ameise krabbelte über sein Gesicht, vielleicht auch ein Tausendfüßler, sicher keine Giftspinne, nahes Rascheln ließ auf Tiere schließen, und als er meinte, die Umrisse eines Rehs zu sehen, glücklicherweise nicht die eines Wildschweins, wusste er, dass die Luft rein war. Ein Reh hätte jeden gewittert. Es verschwand in panischem Entsetzen, als er aus seinem Loch stieg und sich Dreck und Blätter von der Kleidung klopfte und seine verdrehten Gliedmaßen in die richtige Lage brachte.
    Ich bin zu alt für solche Abenteuer, sagte er sich und wandte sich nach rechts, nach Südosten. Dorthin fiel der Kaiserstuhl ab, so hatte er die Topografie in Erinnerung, hier drang mehr Licht durch die schwarz über ihm stehenden Baumkronen. Mühsam bahnte er sich den Weg, immer wieder stehen bleibend und auf Geräusche achtend, dann wich die Spannung, als er linkerhand die Lichter von Bötzingen sah. Weit dahinter warf Freiburg seinen hellen Schein gegen den Nachthimmel. Henry hielt sich weiter rechts, bis er auf die Landstraße traf. Hier kannte er sich aus, sie führte hinauf zum »Il Calice«. Erwartete ihn dort wieder eine Pistole mit Schalldämpfer? War der Schuss auf Amber aus dieser Pistole abgegeben worden? Neureuther müsste das klären, das war nicht seine Aufgabe. Er würde ihm morgen die Einschlagstelle der Kugel zeigen und die Stelle, an der sie in die Baumwurzel geschossen hatten. Ob er das eine oder das andere Projektil finden würde?
    Eine halbe Stunde später erreichte er das »Il Calice«. Er umschlich das gesamte Gelände, hielt Ausschau nach einem schwarzen BMW, er war sein einziger Anhaltspunkt. Die Mörder waren verschwunden, sie mussten damit rechnen, dass Henry die Polizei verständigte. Nur Rebecca Brunners Cabrio stand da, der Lieferwagen vom Hotel, Franks Lancia und sein eigener Wagen.
    Sein Zimmerschlüssel öffnete auch die Hoteltür, und erst im Flur vor einem Spiegel wurde er sich seines Zustands gewahr. Rasch klopfte er sich draußen den Waldboden von der Kleidung, fand Blätter in der Hosentasche und betastete vor dem Spiegel die lange blutige Schramme im Gesicht. Sie würde ihm eine Weile erhalten bleiben, er musste die Wunde desinfizieren. Trotzdem schlich er zuerst zu Frank, er wollte sein eigenes Zimmer nicht allein betreten, möglicherweise wartete dort jemand.
    Frank war wach geblieben, er hatte gewartet. »
Porca Miseria
! Was haben sie mit dir gemacht?«
    Die Ereignisse der letzten Stunden waren rasch berichtet, und die beiden Männer kamen überein, am nächsten Tag das Hotel zu wechseln. Frank hatte lange nach Henry gesucht, ihn angerufen, war ums Hotel gelaufen, hatte aus dem Fenster geschaut, aber niemanden gesehen, es war ihm lediglich aufgefallen, dass etwa vor einer Stunde ein schwarzer BMW den Parkplatz verlassen hatte. Signora Valiano, die Winzerin, hatte im Vorbeigehen, so sein Eindruck, mit einem der beiden Insassen kurz einige Worte gewechselt.
    »Hast du die Autonummer der Typen?«
    Frank verneinte, und Henry regte sich auf. »Nichts als Augen für Blechkisten hast du, aber keine für die Insassen.«
    Es war Frank anzumerken, dass er sich im Stillen über sich selbst ärgerte.
    »Wenn es dieselben waren, die dich beim Pferderennen umnieten

Weitere Kostenlose Bücher