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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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grinste, denn die Anspielung auf den Lancia war klar.
    Die überdachte Terrasse hinter dem Hotel und die Tische im Garten unter den Tannen waren bis auf den letzten Platz besetzt. Für Henry bestätigte sich der Eindruck, dass dieses Restaurant der Treffpunkt der italienischen Community Freiburgs war. Die wenigen Badener jedoch standen in puncto Lautstärke und Lebhaftigkeit den Italienern nur wenig nach. An der Tafel unter der Rotbuche wogte die Unterhaltung am lautesten. Weinflaschen, jede Menge Gläser und Platten bedeckten den Tisch, und die Befürchtung war nicht weit hergeholt, dass jemand bei der, böse gesagt, mit theatralischen Gesten bestrittenen Unterhaltung das Geschirr vom Tisch fegen könnte.
    Die Etikette war längst vom Tisch, dabei war das »Il Calice« im Vergleich mit den beliebten Straußenwirtschaften und Winzerstuben um einiges vornehmer. Henry schloss es aus den weißen Oberhemden der männlichen Gäste, die ihre Sakkos über die Lehnen gehängt und die Krawatten in den Rocktaschen hatten verschwinden lassen. Die Stimmen der Damen waren laut und schrill, was weniger an demwarmen und sternklaren Abend lag als am Zuspruch zu den Weinen.
    Der Name des Restaurants behagte Henry so wenig wie die Gesellschaft. Il Calice   – der Kelch. Welcher Kelch? Der, der an einem vorüberging, oder auch nicht? Da war ihm zu viel Pathos, zu viel Klerikales, belastet von der Geschichte, von der Suche nach dem Heiligen Gral, dem Abendmahl. Sicher dachte er nur Unsinn, seiner Müdigkeit geschuldet. Er kannte ein gleichnamiges Restaurant in Berlin; da war die Stimmung gut, das Essen bestens, die Weine ausgezeichnet, und die Kellner wurden nicht getrieben.
    Frank Gatow trat an die Tafel unter dem Baum und beugte sich zu einer sehr gut aussehenden Dame mit einer lockigen schwarzen Mähne hinab, die ihm erfreut um den Hals fiel. Er legte ihr die Hände auf die Schultern, küsste sie und flüsterte mit ihr, schaute zu Henry und winkte ihn heran. Das konnte nur Signora Vanzetti sein. Es war ein Lichtblick, wenn ein Paar, verheiratet oder nicht, sich gut verstand und es auch zeigte. Die Gäste der Tafel schienen ausnahmslos Italiener zu sein, Frank Gatow begrüßte alle mit Handschlag oder mit Schulterklopfen.
    Von Henry nahm niemand wirklich Notiz, lediglich mit Antonia Vanzetti wechselte er einige Worte auf Englisch. In Baden-Baden würde sich bestimmt Gelegenheit zu einem Gespräch ergeben, meinte sie und wies auf ein Paar, das ebenfalls zu den Juroren gehörte und hier Station machte. Der Weg aus Süditalien mit dem Auto sei weit gewesen, die Winzer hätten die restlichen hundert Kilometer bis nach Baden-Baden nicht geschafft und hier Station gemacht. Der Mann reichte Henry ein volles Glas, und man rückte zur Seite.
    Eingekeilt zwischen zwei Italienern, die über seinen Kopf hinweg redeten, verstand Henry kaum ein Wort. Es gab zu viele laute Stimmen, als dass er sich bei seinem mangelhaften Italienisch zumindest einen Reim hätte darauf machen können. Einem Zweiergespräch hätte er eventuell folgenkönnen, nicht aber dem Stimmengewirr der zehn Personen am Tisch, die gleichzeitig aßen, tranken und redeten.
    Nach den heutigen Weinproben war Henrys Alkoholpegel sicher hoch, obwohl er beim Probieren alles ausspuckte. Trotzdem fühlte er sich in dieser Gruppe gut gelaunter Zecher, als hätte er den Tag über Pfefferminztee getrunken. Im Stimmengewirr fühlte er sich einsamer, als wenn er allein gewesen wäre. So lächelte er nichtssagend vor sich hin und stocherte in den Antipasti. Wenn ihn auch niemand ins Gespräch einbezog, so kamen doch von allen Seiten die Auffor derungen zum Trinken.
    Henry hätte gern genauer gewusst, was man trank, doch ihm blieb nur der Blick auf die Etiketten und die Vorstellung, aus der Erinnerung gekramt, wie die Weine Kalabriens schmeckten. Das Winzerehepaar Valiano hatte sie mitgebracht. Tenuta Terre Nostra hieß ihre Kellerei, die Winzer saßen neben Antonia Vanzetti, man schien sich gut zu kennen. Die Frau strahlte Energie, aber auch Verschlossenheit aus, mit ihrem halb langen schwarzen Haar erinnerte sie an die Schauspielerin Anna Magnani. Ihrem Gatten war das Hilfe suchende und den Frauen die Knie weich werden lassende Lächeln von Doktor Schiwago ins Gesicht geschrieben. Henry spürte etwas wie Unlust, sich mit den beiden und ihren Weinen zu beschäftigen. Einen Grund dafür sah er nicht, aber wenn die Chemie zu gegensätzlich war, half auch keine Diplomatie, dann fiel ein Urteil

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