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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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in der Kunst nie verstanden, bis jetzt, wo ich mich bereit erklärt habe, Modell zu stehen.«
    »Ganz genau«, bestätigte er. »Es muss anstrengend sein, das ist ja der Witz dabei. Die Sehnen und Muskeln müssen arbeiten und sichtbar sein, es gibt sowieso schon viel zu viele ruhende Nymphen.«
    »Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass es viel zu viele nackte Frauenkörper in der Kunst gibt… alles in allem.«
    »Ein Missverständnis«, widersprach er. »Das wäre ungefähr so, als wollte man behaupten, dass man keine Metaphern mehr in der Literatur anwenden sollte… wäre das vielleicht sogar möglich?«
    Er sah ernsthaft nachdenklich aus, wie immer, wenn er sich an einem zufälligen Gedanken festbiss. Kaute auf dem Pinselstiel herum und runzelte die Stirn.
    Deshalb liebe ich ihn, dachte sie plötzlich… weil er alles, aber auch wirklich alles, mit dem tiefsten Ernst betrachten kann.
    Weil er an allem so aufrichtig interessiert ist, außer an sich selbst.
    Sie knotete den Bademantelgürtel zu. Ich überschätze ihn, dachte sie. Aber das ist mir auch egal. Besser, noch ein wenig Spielraum zu haben, wenn der Überdruss einsetzt.
    Obwohl dieser Zeitpunkt hoffentlich noch in sehr, sehr weiter Ferne lag. Beate Moerk hatte Franek Lapter zwei Monate nach dem sagenumwobenen Axtmörderfall vor neun Jahren auf einem Fest kennen gelernt, und als sie sich das zweite Mal liebten, war sie schwanger geworden. Auch gut, wie Franek meinte, als sie es ihm erzählte. Uns beiden hätte Schlimmeres passieren können.
    Sie hatten geheiratet, sich ein altes Haus am Limmingerweg draußen in Groonfelt gekauft, ihr erstes Kind bekommen und das zweite eineinhalb Jahre später geplant. Ungefähr genauso lange war sie insgesamt von ihrem Dienst als Polizeiinspektorin im Kaalbringener Polizeidistrikt befreit gewesen. Es gab wohl den einen oder anderen, der meinte, eine gute Mutter sollte ein wenig länger daheim bei ihren Sprösslingen bleiben, aber Franek hatte sein Atelier im ersten Stock und konnte sich absolut nicht vorstellen, ohne Leon oder Myra zu sein. Zumindest nicht mehrere Stunden am Stück. Also, warum nicht?
    Und jetzt stand wieder ein Mord auf dem Dienstplan.
    Ich liebe meinen Mann und meine Kinder, dachte sie. Aber ich liebe sie noch mehr, wenn ich meinen perversen Neigungen nachgehen darf.
    »Kann es angehen, dass du ein bisschen auf diese Leiche fixiert bist?«, fragte er, während er die Pinsel im Waschbecken auswusch. »Und es war tatsächlich dieser alte Privatdetektiv aus Maardam?«
    Beate Moerk zog sich ein Paar dicke Wollstrümpfe über, richtete sich auf und nickte.
    »Verlangen«, sagte sie. »Ja, er war es.«
    »Und jetzt ist geplant, dass dieser deKlerk und du das aufklären sollen?«
    »Zweifelst du an unseren Fähigkeiten?«
    Er überlegte eine Weile.
    »Nicht an deinen. Und ein Genie genügt wahrscheinlich, um diese Gleichung zu lösen. Die anderen müssen nur zur Hand sein, Kaffee kochen und nicht im Weg stehen.«
    »Gleichung?«, wiederholte Beate Moerk lachend. »Ich hatte während meiner gesamten Schulzeit nie mehr als eine Drei in Mathe. Hier ist nicht die Rede von irgendwelchen Gleichungen, das ist wahrscheinlich eine Ochsentour für Siebtklässler. Übrigens bekommen wir Hilfe von außen.«
    »Von außen? Ist es so ernst?«
    Sie begriff, dass Franek neben seiner Fähigkeit, in einer verletzten Fliege ein ernstes Problem zu sehen, ab und zu Schwierigkeiten hatte, die Bedeutung größerer Problemfelder zu beurteilen. Vielleicht war das eine Art Notwendigkeit für einen Menschen wie ihn. Um des Gleichgewichts willen. Um der Kunst willen.
    Die Perspektive von außen, wie es hieß.
    Blödsinn, dachte sie. Ich überschätze auch seine Gedankenwelt. Aber vielleicht muss man das, wenn man jemanden liebt?
    »Was meinst du damit? Ist ein Mord nicht auf jeden Fall ernst?«
    Er war mit dem Pinselwaschen fertig. Trocknete sich die Hände an seinem karierten Flanellhemd ab und kam ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen. Als er sie umarmte, hörte sie, wie es in den Rippen knackte.
    »Natürlich«, sagte er. »Darf ich nicht noch mal einen Blick auf deine Beckenpartie werfen, ich glaube, da gibt es eine Linie, die ich noch nicht so richtig aufgenommen habe.«
    »Grrh«, sagte sie und biss ihm in die Schulter. »Ich bin jedenfalls froh, dass du keine Aktmodelle mehr von draußen herholst.«
    Das Lieben dauerte seine Zeit, und es war genauso schön wie immer, aber als er sich widerstrebend auf seine Betthälfte gerollt hatte

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