Sein letzter Fall - Fallet G
können. Weil es keine Spur gegeben hatte. Ganz einfach.
Beate Moerk nickte entschlossen vor sich hin. Nahm den Telefonhörer ab und rief Franek daheim an. Spürte einen kurzen Moment lang eine heftig aufkeimende Sehnsucht nach ihm, als sie seine Stimme hörte.
Sprach auch darüber mit ihm, aber das hatte keine Eile, wie er ihr versicherte. Beide Kinder schliefen, er malte und war bereit, mit einer Flasche Rotwein und offenen Armen bis nach Mitternacht auf sie zu warten, wenn es denn gewünscht wurde. Wie es mit der Leiche liefe, wollte er wissen.
Sie erzählte ihm, dass sie zu wissen glaubte, wer es war, und dass sie gezwungen war, noch zu bleiben und einige Telefongespräche zu führen – und auch deKlerk Bericht zu erstatten, wenn er denn die Güte haben würde, endlich aufzutauchen. Dass sie jedoch, sobald das erledigt sein würde, umgehend nach Hause kommen und das Licht im Atelier löschen würde.
Er lachte und versicherte ihr, sie sei herzlich willkommen.
Ein paar Minuten blieb sie nachdenklich sitzen, bevor sie den Hörer erneut abnahm. Es fiel ihr nicht leicht, diesen Entschluss zu fassen, aber dann verwarf sie alle Einwände und wählte die Nummer von Bausens Haus.
Da sie davon ausging, dass das Antiquariat in Maardam samstagabends wohl kaum bis halb zehn Uhr offen war.
Und da Van Veeteren ihr nicht seine Privatnummer gegeben hatte.
Van Veeteren wiederum wurde von Bausen eine halbe Stunde später angerufen – und nachdem er die wenigen vorläufigen Informationen geschluckt hatte, war er noch sicherer als Inspektorin Moerk, dass es sich bei dem Toten tatsächlich um Maarten Verlangen handelte.
Es gab natürlich keine wirklich rationalen Argumente für diese Annahme – aber er hatte erst vor wenigen Nächten von Jaan G. Hennan geträumt (in einer sonderbaren Rolle als schonungsloser gehörnter Richter in einer Art Kriegstribunal) und außerdem die Drei-Züge-Aufgabe in der Allgemejne in weniger als einer halben Minute gelöst, was fast schon ein Rekord war.
Mit anderen Worten: Es hatte etwas in der Luft gelegen, und nach Bausens Telefonanruf wusste er, was es gewesen war. Es war genug Wasser den Fluss hinuntergeflossen, um ein anderes Element zu benutzen, und es war an der Zeit, ein weiteres Kapitel im Fortsetzungsroman G. zu schreiben.
Aber nun soll es verdammt noch mal das letzte sein, dachte er, als er den Hörer auflegte und wieder zum Sofa, Ulrike und dem finnischen Spielfilm auf Kanal 4 zurückkehrte. Ich muss das möglichst bald ein für alle Mal zu Ende bringen. Alles hat zwar seine Zeit, aber trotzdem gibt es Grenzen, oder etwa nicht?
»Wer war das?«, wollte Ulrike wissen, schob Stravinsky zur Seite und ließ stattdessen ihn unter die Decke.
»Bausen«, sagte Van Veeteren. »Sie denken, sie haben Verlangen gefunden.«
Ulrike griff zur Fernbedienung und stellte den Ton ab.
»Den Privatdetektiv?«
»Ja.«
»Tot?«
»Ja. Wahrscheinlich seit April. Wie ich gedacht habe.«
»Wie?«
»Was?«
»Wie ist er gestorben?«
»Durch einen Schuss in den Kopf.«
»Was zum Teufel…?«
»Du hast richtig gehört.«
»Mein Gott. Und tatsächlich da oben in Kaalbringen?«
»Ganz in der Nähe. Aber sie haben ihn natürlich noch nicht identifiziert.«
»Aber sie glauben, dass er es ist?«
»Offenbar. Sicher wissen sie es erst morgen.«
Ulrike nickte. Nahm den Kater wieder hoch und kraulte ihn gedankenverloren unterm Kinn, während sie die stummen Bilder auf dem Fernseher betrachtete. Es verging eine halbe Minute.
»Was wirst du…?«
»Wir werden sehen«, sagte Van Veeteren. »Auf jeden Fall ist das eine Sache für die Polizei.«
»Zweifellos.«
Er saß schweigend da und suchte nach den richtigen Formulierungen.
»Schatten zu jagen, wird ja wohl jedem erlaubt sein«, stellte er dann fest, »aber ein offensichtlicher Mord sollte nicht auf dem Schreibtisch eines Antiquars liegen.«
»Natürlich nicht«, stimmte ihm Ulrike Fremdli zu. »Wo habe ich das schon mal gehört?«
33
Polizeichef deKlerk zupfte sich nachdenklich am rechten Ohrläppchen und blinzelte Inspektorin Moerk zu.
»Aha, so soll der Fall also liegen?«, fragte er. »Ich muss sagen, ich bin ein wenig skeptisch.«
Beate Moerk zuckte mit den Schultern. Sie war es gewohnt, dass ihr Chef skeptisch war. Wollte man ein wenig übertreiben, dann konnte man sogar behaupten, dass das seine hervorstechendste Eigenschaft war.
Der Zweifel. Sie arbeitete jetzt seit gut sechs Jahren mit ihm zusammen und wusste, dass er nie die Katze
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